Merkel: Gipfel-Beschlüsse zu 100 Prozent von Bundestag gedeckt

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die in ihrer Koalition heftig umstrittenen Beschlüsse beim EU-Gipfel zur Bankenhilfe als voll abgesichert durch den Bundestag bezeichnet.

Auf die Frage, ob die überraschend vereinbarte direkte Finanzhilfe aus dem Euro-Rettungsschirm ESM an marode Banken betroffener Staaten mit den Entwürfen für den Bundestag gedeckt sei, sagte Merkel am Freitag in Brüssel: „Ja, 100 Prozent“. Sie versicherte erneut, dass jede Veränderung im ESM vom Bundestag abgesegnet werden muss.

Sie verteidigte, dass in Schieflage geratene Banken künftig direkt Geld aus dem ESM bekommen sollen. Ihre Begründung lautete, dass zugleich eine scharfe Kontrolle durch eine bei der Europäischen Zentralbank EZB angesiedelte internationale Aufsichtsbehörde beschlossen worden sei. Die Verknüpfung dieser Kontrollstelle mit der Möglichkeit der Rekapitalisierung von Banken „kann man akzeptieren, wenn man eine gute verlässliche Aufsichtsbehörde hat“. Schließlich habe die EZB großes Eigeninteresse an gesunden Banken. Sie betonte, dass das Volumen des ESM von 500 Milliarden Euro unangetastet bleibe.

Wer allerdings die Haftung für direkte ESM-Kredite an die Banken übernehme, ließ sie offen. Dies müsse im Einzelnen verhandelt werden. „Das werden ziemlich schwierige Verhandlungen. Wir sind da in einem sehr neuen Bereich. Deswegen wird das nicht nur zehn Tage dauern.“

Unmittelbar vor der geplanten Verabschiedung im Bundestag flammte Unruhe bei den Fraktionen auf. Am Mittag wurde eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses einberufen. Für Turbulenzen sorgten zwischenzeitliche Spekulationen, die Abstimmung zum ESM womöglich zu verschieben. Der Streit kam vor allem auf, weil Merkel in Brüssel mehr Zugeständnisse bei Hilfen für marode Banken gemacht hatte als erwartet. Union und FDP wollten die Abstimmung zum ESM aber trotzdem nicht von der Tagesordnung des Bundestags absetzen. Dazu bestehe kein Anlass, hieß es aus der Union.

Der FDP-Politiker Jürgen Koppelin hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, den für den Freitagabend angesetzten Beschluss zu verschieben. „Die Haltung der FDP war bisher, dass die Kriterien nicht aufgeweicht werden dürfen.“ Merkel habe dies nicht eingehalten. „Dazu werden Koalitionsgespräche notwendig sein.“ Die Regierung müsse ihre Wende um 180 Grad erklären, forderte der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Seine Partei könne einer „Black Box“ nicht ohne weiteres zustimmen.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im Sender n-tv: „Es wird künftig die Möglichkeit der direkten Finanzierung aus dem Euro- Rettungsfonds für Banken geben. Und wenn man die geltende europäische Rechtslage einhält, dann darf man künftig auch als Staat Geld aus dem Rettungstopf bekommen. Das sind alles beides Positionen, die Frau Merkel immer abgelehnt hat und die sie nun zugestehen musste.“

Merkel rechtfertigte die Beschlüsse am Freitag bei der Ankunft zur zweiten Gipfelrunde. „Wir sind unserer Philosophie, keine Leistung ohne Gegenleistung, treu geblieben“, sagte sie in Brüssel. „Insofern bleiben wir also vollkommen in unserem bisherigen Schema: Leistung, Gegenleistung, Konditionalität und Kontrolle.“

In einer Nachtsitzung hatten sich die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer auf Hilfen für die angeschlagenen Partner Spanien und Italien geeinigt. Länder mit guter Haushaltsführung können vom Sommer an - ohne zusätzliche Sparprogramme - Unterstützung aus den Schirmen EFSF und ESM erhalten. Zudem hatten sich die Euroländer auf die Schaffung einer unabhängigen gemeinsamen Bankenaufsicht unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB) geeinigt.

Der Bundestag sollte am Freitagabend über zwei Gesetze zur Umsetzung von ESM und Fiskalpakt entscheiden. Direkt im Anschluss sollte dann der Bundesrat abstimmen. Die angepeilte Zweidrittelmehrheit galt in beiden Häusern als sicher. Die endgültige Umsetzung von Fiskalpakt und ESM wird sich aber trotzdem verzögern. Wegen angekündigter Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht will Bundespräsident Joachim Gauck die Gesetze nicht unterzeichnen, bevor die Richter über die einstweiligen Anordnungen entschieden haben.