Analyse: Merkel - allein erfolgreich
Berlin (dpa) - Es ist 21.20 Uhr, als die CDU-Spitzen nichts mehr halten kann. Generalsekretär Hermann Gröhe reckt die Fäuste, Partei- Vize Ursula von der Leyen tänzelt auf der Bühne und Fraktionschef Volker Kauder röhrt die Siegerhymne „An Tagen wie diesen“ ins Mikrofon.
Dazwischen steht Angela Merkel und klatscht ein bisschen zögerlich mit. „Freut Euch!“, ruft die Kanzlerin am Sonntagabend ins überfüllte Atrium der CDU-Zentrale. „Heute wird gefeiert, ab morgen wieder gearbeitet.“ Da schallt laut „Übermorgen, übermorgen!“ zurück.
Triumphierende Gesten mag Merkel selbst im Moment ihres wohl größten Sieges nicht zeigen. Sie bleibt sich treu und verschränkt die Hände lieber zu der inzwischen typischen Merkel-Raute. Dabei hat die Union den Hochrechnungen zufolge erstmals seit Jahren wieder die magische 40-Prozent-Marke geknackt. Vor der Bühne stimmen Mitglieder „Angie, Angie!“- Rufe an, manche tragen eigens verteilte orangefarbene T-Shirts mit dem Aufdruck „WIR bleiben Kanzlerin!“
Zum Mitfeiern bittet Merkel den 83 Jahre alten Ex-Generalsekretär Heiner Geißler auf die Bühne. Und dann kapern die siegestrunkenen Christdemokraten auch noch den Schlager „Schachmatt durch die Dame im Spiel“ von Roland Kaiser - der Sänger hatte im Wahlkampf Merkels SPD-Rivalen Peer Steinbrück unterstützt.
Zuvor, beim ersten Auftritt eine Dreiviertelstunde nach Schließung der Wahllokale ist - als sehr seltener Gast - sogar ihr Mann Joachim Sauer mitgekommen. Er schaut von der Seite aus zu, als seine Frau ihm dankt. Der frenetische Beifall scheint ihn aber wie immer eher verlegen zu machen.
Wie es nun weitergehen soll, sagt Merkel im Trubel des Abends aber erst einmal noch nicht. „Es ist zu früh, genau zu sagen, wie wir vorgehen“, sagt die 59-Jährige. Der Wahlkampf war komplett auf sie zugeschnitten. Die populäre Kanzlerin sollte es richten - und hat geliefert. Die Union ist mit weitem Abstand stärkste Kraft geworden. Seit 1990 mit damals 43,8 Prozent sind CDU und CSU im Bund nicht mehr so stark gewesen, damals hieß der Kanzler Helmut Kohl. „Das ist für die CDU ein Tag, wie wir ihn seit Jahren nicht mehr gehabt haben“, sagt Bundes-Vize Armin Laschet in Fernsehkameras.
Die für die Mitglieder so enttäuschenden 33,8 Prozent von 2009 hat Merkel wett gemacht. Die Frage ist am Sonntagabend aber, was dies für eine künftige Bundesregierung bedeuten wird. Klar ist: Merkel hat das Heft das Handelns in der Hand.
Ihren Wahlkampfslogan „Gemeinsam erfolgreich“ kann die Kanzlerin jedenfalls nicht auf ihre schwarz-gelbe Koalition ummünzen - sie war allein erfolgreich. Den Liberalen bekam das Bündnis mit Merkel - wie einst schon der SPD nach dem Ende der schwarz-roten Koalition 2009 - alles andere als gut. Sie flogen sogar aus dem Parlament.
Also jetzt möglicherweise ein neues Bündnis mit der SPD? Oder doch Schwarz-Grün? Als in Prognosen am frühen Abend das schwächere Ergebnis der Grünen erwähnt wird, brandet im Atrium des Adenauer-Hauses allerdings lauter Extra-Jubel auf. Nach Hochrechnungen scheint am Abend sogar eine absolute Mehrheit der Mandate möglich zu sein. Aber wäre das nicht zu knapp?
Wenn es in Koalitionsgespräche gehen soll, müssen auch die Schwesterparteien CDU und CSU ihr Verhältnis justieren. Denn das Selbstbewusstsein der CSU ist ebenfalls mächtig gestiegen, seit sie bei der Landtagswahl vor einer Woche die Alleinregierung in Bayern zurückerobern konnte. Nach den obligatorischen Beteuerungen der Geschlossenheit im Wahlkampf stehen zwischen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer jetzt jedenfalls einige Klärungen an.
Ausgerechnet die beiden Spitzenleute höchstpersönlich haben dafür gesorgt, dass sich ein altbekanntes Thema zu einer heiklen Frage der Glaubwürdigkeit hochschaukelte. Die bayerischen Wähler im Blick, versprach Seehofer ultimativ, im Bund keinen Koalitionsvertrag ohne eine Pkw-Maut für Ausländer zu unterzeichnen. Merkel hielt den Ball lange flach, sah sich dann aber doch genötigt, ebenso ultimativ dagegenzuhalten: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Wie eine von Merkel angekündigte Lösung aussehen könnte, ist ungewiss.
So strahlend Merkels Triumph nun auch ist - es könnte eine dritte Kanzlerschaft werden, die sie zum Nachdenken über den besten Zeitpunkt für einen Ausstieg bewegt - wenn sie selbstbestimmt aufhören und sich nicht abwählen lassen will.