Analyse: Monti will bei „Merkozy“ mitspielen
Berlin (dpa) - Der Neue aus Rom kämpft für sein Land. Berlusconi-Nachfolger Mario Monti fordert eine stärkere Rolle im Euro-Konzert von Deutschland und Frankreich. Über Italiens Schicksal entscheiden aber vor allem die Märkte.
Das Gespräch im Kanzleramt dauerte dann doch länger. Um fast eine Stunde verzögerte sich der Auftritt von Angela Merkel und Italiens Regierungschef Mario Monti vor der Presse. Nein, man habe nicht gestritten, sondern eben viele Dinge besprochen, sagte die Kanzlerin vorauseilend - die Journalistenfragen schon ahnend.
Dabei hatte Monti vor seinem Antrittsbesuch im Kanzleramt durchaus für Irritationen bei manchem Koalitionspolitiker in Berlin gesorgt. In einem Zeitungsinterview warnte der neue italienische Premier, ohne baldige Sparerfolge könnte es bald zu anti-europäischen Protesten in Italien kommen - auch gegen Deutschland als Buhmann.
Dem vor zwei Monaten angetretenen Regierungschef geht es um eine Belohnung für die Einschnitte, die er seinen Landsleuten zumutet. Etwa in Form günstigerer Zinsen. Die aber werden am Markt geregelt, was auch Monti an der Seite Merkels betonte. In Berlin wurde dies in Teilen des Regierungslagers dennoch zunächst als Wunsch an die europäischen Partner sowie als Drohgebärde missverstanden - und zurückgewiesen.
Gesprächsstoff gab es im Kanzleramt aber auch so reichlich. Nach der Weihnachtspause ist Merkel wieder im Euro-Krisenmodus. Gut zweieinhalb Wochen vor dem EU-Sondergipfel sondiert die Kanzlerin mit Verbündeten das Feld: Zu Wochenbeginn das Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, am Dienstag Beratungen mit IWF-Chefin Christine Lagarde und danach Monti.
Nach den letzten Brüsseler Gipfelbeschlüssen wird Merkel - teils bewundernd, teils misstrauisch - auch als „heimliche EU-Chefin“ gesehen. Vor allem auf Druck der Deutschen und der Franzosen werden die 17 Euro-Länder und womöglich neun weitere EU-Staaten einen „Fiskalpakt“ besiegeln mit schärferen Regeln für Haushaltssünder. Auch bei der Finanzsteuer und einer neuen Wachstumsstrategie für Europa geben Berlin und Paris wieder einmal den Ton an.
Was nicht jedem gefällt, auch dem parteilosen Regierungschef in Rom nicht. Vor dem Berlin-Besuch mahnte Monti eine zentrale Rolle für sein Land an. Merkel und Sarkozy würden einen schweren Fehler machen, wenn sie glaubten, sie alleine könnten die EU meistern. „Europa muss mehrere Zentren haben. Und Italien ist eines von ihnen.“
Monti, der auch bei anderen europäischen Partnern auf Werbetour für sein ehrgeiziges Spar- und Reformprogramm ist, dürfte es beim Treffen mit Merkel nicht beim Austausch diplomatischer Floskeln und Freundlichkeiten belassen haben. Dem international geachteten Ex-EU-Kommissar machen Regelungen des neuen „Fiskalpakts“ zu schaffen, den Merkel beim Dezember-Gipfel durchgedrückt hatte.
So soll die Staatsverschuldung, die über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes liegt, pro Jahr um ein Zwanzigstel reduziert werden. Italiens Schuldenberg liegt jedoch bei 120 Prozent der Wirtschaftskraft. Das Land müsste demnach jährlich riesige Summen einsparen, was wiederum das Wachstum bremsen würde.
Immerhin zeichnet sich ab, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone nach dem Rückzug von Silvio Berlusconi wieder stärker in das Krisenmanagement eingebunden wird. Was schon daran liegt, dass Merkel mit dem neuen Mann in Rom weit besser klar kommen dürfte als mit dem skandalträchtigen Ex-Regierungschef, der sich nicht nur einmal abfällig über Merkel geäußert haben soll und der auch an den Märkten zunehmend Vertrauen verspielt hatte.
Die Zukunft der Währungsunion hängt maßgeblich von den Top drei Deutschland, Frankreich und Italien ab. Montis Expertenregierung hatte nach dem Start im November reichlich Vorschusslorbeeren erhalten. Was schnell verbraucht und rasch umschlagen kann - mit Problemen bei der Geldbeschaffung. Schon am Donnerstag und Freitag wird man bei den Milliarden-Schuldenauktionen ablesen können, was die Märkte von Montis Kurs halten.
Dem künftig wohl stärker auftrumpfenden Trio Berlin-Paris-Rom dürfte auch die neue Konstellation in der Europäischen Zentralbank (EZB) zugute kommen: In der EZB-Spitze hält mit Präsident Mario Draghi und dem neuen „Außenminister“ Jörg Asmussen, der federführend auch für die Rettungspakte zuständig ist, eine italienisch-deutsche Notenbank-Achse beim Euro-Krisenmanagement die Fäden in der Hand.