Analyse: Ohrfeige aus Cannes rüttelt Griechenland wach
Athen (dpa) - Die Griechen sind wachgerüttelt worden - allen voran ihre politische Führung. Die Ohrfeige gab es im französischen Cannes, am Rande des G20-Gipfels. Und die war so laut, dass sie bis nach Athen hallte.
Die EU, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy haben es satt, Versprechungen zu hören und keine Taten zu sehen. Sie machten den Griechen am Mittwochabend klar: Macht was ihr wollt, entscheidet euch, ob ihr im Euroland bleiben wollt. Bis dahin gibt es aber kein Geld.
In Athen überschlugen sich seitdem die Ereignisse: Ministerpräsident Giorgos Papandreou hatte zunächst in Cannes auf seinem Plan für ein Referendum über das Hilfsprogramm bestanden - gab den Plan dann aber am Donnerstag auf, um den Weg für Verhandlungen mit der verfeindeten Opposition frei zu machen, an deren Ende die Bildung einer „Regierung der Nationalen Rettung“ stehen soll.
Sein Finanzminister Evangelos Venizelos, der in Cannes dabei war, hatte das Referendum als Unsinn abgetan. Danach brachen alle Dämme: Mehrere Minister und Parlamentarier sahen als einzigen Ausweg die Bildung einer großen Koalition mit den Konservativen. Diese Regierung soll das Land für eine kurze Zeit führen - und das in den Details komplizierte und langwierige Hilfsverfahren vollenden.
Die Bereitschaft scheint zu wachsen, jetzt zu tun, was zwei Jahre nicht möglich war: Die Ärmel hochzukrempeln, in Eintracht den angeschlagenen Staat funktionsfähig zu machen und hart dafür zu arbeiten, um einen Bankrott abzuwenden.
Noch sind die Konturen der neuen politischen Situation unklar: Der Chef der konservativen Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, bevorzugt eine „technische“ Regierung aus Experten und möchte bereits im Dezember eine Neuwahl des Parlaments. Papandreou strebt dagegen eine Große Koalition über mehrere Monate an.
Ebenso offen ist noch der Fahrplan: Im günstigen Fall, falls sich die Kontrahenten bald einigen, könnte die ursprünglich als Vertrauensabstimmung geplante Parlamentssitzung in der Nacht zum Samstag eine Abstimmung über die neue Regierung werden. Die Mehrheit im Parlament scheint Papandreou bereits verloren zu haben. Mindestens zwei Abgeordnete der Sozialisten entzogen ihm bereits das Vertrauen. Damit hatten am Donnerstagmittag die Sozialisten nur noch 150 Abgeordnete im 300-köpfigen Parlament.
Gerüchte über die Namen von Übergangs-Ministerpräsidenten machten derweil die Runde. Mal soll es der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Lucas Papademos, sein. Andere wollen erfahren haben, dass der ehemalige sozialistische Premier Kostas Simitis (1996-2004) das Land in dieser schwierigen Lage für mehrere Monate führen soll. Danach - wenn die Lage sich beruhigt hat und das Land dem Bankrott entkommen ist - soll es Neuwahlen geben.