Analyse: Union zweifelt an Rösler & Co.
Berlin/Rom (dpa) - Philipp Rösler war kaum in Rom gelandet, da erreichte ihn eine frohe Kunde. Im dortigen Parlament hatten die Abgeordneten dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi soeben das Vertrauen ausgesprochen.
Dies galt als gutes Omen für das Milliarden-Sparpaket des Euro-Schwergewichts Italien - wieder ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung. Während seiner Stippvisite gab Rösler dann eine Pressekonferenz. Der Saal war voll. Den deutschen Vizekanzler kennen die Italiener spätestens, seit er über eine Staatspleite Griechenlands spekuliert und so die internationalen Finanzmärkte bewegt hatte. Der FDP-Chef nahm nichts zurück: „Ich muss das tun, was ich für richtig halte.“
In Berlin aber ist die Stimmung bei Schwarz-Gelb angespannt. Die Union ist über den kleinen Partner zunehmend irritiert und fragt sich, ob die FDP mit einem populistischen Kursschwenk zu einer Gefahr für den Euro-Kurs der Kanzlerin werden könnten.
Dabei bemühte sich Angela Merkel am Morgen, für die Öffentlichkeit entspannte Miene zur schwierigen Lage zu machen. Als die Fotografen zu Beginn der Kabinettssitzung ihre Bilder machten, vermied sie jeden Hinweis auf einen kapitalen Krach mit dem Vizekanzler.
Regierungssprecher Steffen Seibert betonte später, im Kabinett habe das Thema keine Rolle gespielt. Was Merkel Rösler allerdings im üblichen 15-minütigen Vorgespräch unter vier Augen gesagt hatte, musste er offen lassen - die Unterredung ist vertraulich.
Aus der Union war außerdem zu hören, die Rösler-Äußerungen hätten beim traditionellen Koalitionsfrühstück - einer größeren Runde vor dem Ministertreffen - durchaus eine Rolle gespielt. Zwar seien keine derben Worte gefallen, „verbales Kopfschütteln“ habe es aber schon gegeben. Und Merkel hat nach der Erinnerung eines Teilnehmers sehr deutlich gemacht, dass sie überhaupt niemandem ein Schweigegelübde oder Denkverbote auferlegt habe. Das war als Seitenhieb auf Rösler zu verstehen, der vor solchen Verboten gewarnt hatte.
In der FDP hieß es beschwichtigend, mit Rösler werde es keinen Populismus und Rechtsruck geben. Das machte der Parteichef dem Vernehmen nach auch im Präsidium deutlich, als er sein umstrittenes Griechenland-Papier erläuterte. Die FDP stehe klar zu Europa, müsse aber Kosten und Risiken klar benennen, weil das die Bevölkerung bewege.
Ob die Attacken gegen Athen der FDP an diesem Sonntag bei der Berlin-Wahl noch helfen, ist mehr als ungewiss. Die Partei fürchtet, dass bei einem Debakel im Zwei-Prozent-Bereich intern einiges ins Rutschen gerät.
Die „Euro-Rebellen“ um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und den Altliberalen Burkhard Hirsch haben schneller als erwartet in den Landesverbänden genügend Truppen gesammelt, um einen Mitgliederentscheid gegen den Euro-Kurs der Parteispitze zu erzwingen. Rösler und sein Generalsekretär Christian Lindner haben aber schon einen Plan B ausgeheckt.
Die FDP-Spitze will den knapp 65 000 Mitgliedern einen eigenen Antrag anbieten - und setzt darauf, dass wie auf dem Rostocker Parteitag im Mai etwa 75 Prozent den europafreundlichen Kurs mittragen. Für Rösler - und die gesamte Führung, die seinen Griechenland-Kurs öffentlich mitträgt - gibt es nun kein Zurück mehr. Der Grat zwischen Regierungs- und Euro-Frust-Partei aber ist schmal.
In der Union zerbrechen sie sich in der Zwischenzeit schon die Köpfe, wie es mit der Koalition weitergehen könnte. „Wir sind alle ein bisschen ratlos“, sagt ein wichtiger Unionsmann, die Lage sei verfahren.
Zwar wird in Unionskreisen nicht erwartet, dass die FDP heute oder morgen aus der Koalition aussteigen könnte. Es gebe immer noch die Chance, mit den Freidemokraten in der Euro-Schuldenkrise vernünftige Politik zu machen. Voraussetzung sei aber, dass Rösler rationaler argumentiere als bisher und beispielsweise erkläre, was er mit seinem Schlagwort von der geordneten Insolvenz Griechenlands meine, heißt es in der Union.
Schwierig werde es aber dann, wenn der FDP-Chef die Attitüde des Rebellen gegen die eigene Regierung pflege - obwohl er eigentlich deren Politik erklären müsse.