Antworten Fehlanzeige: Die unendliche Edathy-Affäre
Berlin (dpa) - Selten hat der Berliner Politikbetrieb so gebannt auf den Auftritt eines früheren Abgeordneten gelauert. Besonders die SPD hat Grund, den Atem anzuhalten, wenn Sebastian Edathy ab 10.30 Uhr in der Bundespressekonferenz und später im Untersuchungsausschuss des Bundestages sitzen wird.
Vor zehn Monaten wurde die Kinderpornografie-Affäre öffentlich bekannt, doch vieles liegt weiter im Dunkeln - Ende offen.
Was wird Edathy vorgeworfen?
Der 45-Jährige soll über das Internet Kinderpornos gekauft haben. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover hat sich Edathy zwischen November 2013 und Februar 2014 in sieben Fällen mit Hilfe seines Dienst-Laptops kinderpornografische Bild- und Videodateien heruntergeladen. Zudem soll er einen Bildband und eine CD besessen haben, deren Inhalt von der Staatsanwaltschaft als jugendpornografisch eingestuft wird.
Was sagt Edathy zu den Anschuldigungen?
Edathy streitet ab, Kinderpornos über den Bundestagsserver heruntergeladen zu haben. Gegenüber dem Gericht erklärte er, dass auch unbekannte Dritte von außen auf seinen Rechner zugegriffen haben könnten. Er bezeichnete sich gar als Gegner der Kinderpornografie, hielt das Material offenbar für nicht strafbar.
Wie sind die Ermittler auf ihn aufmerksam geworden?
Edathy geriet ins Visier der Behörden, weil sein Name auf der Kundenliste einer kanadischen Firma stand, die unter anderem kinderpornografisches Material verbreitete.
Welche Strafe droht ihm bei einer Verurteilung?
Für den Besitz entsprechenden Materials droht aktuell laut Paragraf 184 b des Strafgesetzbuches („Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften“) eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Das Gericht wies bereits darauf hin, dass ein Strafmaß „eher im unteren Bereich“ zu erwarten sei, weil es sich „um vergleichsweise wenige Taten mit einer noch begrenzten Anzahl an Zugriffen“ handele.
Wo war Edathy in den vergangenen Monaten?
Der genaue Ort ist unbekannt. Fest steht nur, dass er nicht in Deutschland war. Im Frühjahr soll er zunächst in Skandinavien, dann im Mittelmeer-Raum abgetaucht gewesen sein. Zuletzt berichtete „Spiegel Online“, er lebe derzeit überwiegend in einem nordafrikanischen Land, um sich eine neue Existenz aufzubauen.
Wovon lebt Edathy nach dem Verzicht auf sein Bundestagsmandat?
Wie jeder Ex-Abgeordnete hat auch er Anspruch auf Übergangsgeld. Nach dem Abgeordnetengesetz wird es in Höhe der Abgeordnetenentschädigung für jedes Jahr der Mitgliedschaft einen Monat geleistet, höchstens jedoch 18 Monate lang. Im Fall von Edathy ist der Anspruchszeitraum März 2014 bis Mai 2015. In Summe beträgt bei Edathy das Übergangsgeld 130 420 Euro.
Wie geht es jetzt weiter?
Am 23. Februar startet am Landgericht Verden der Prozess gegen Edathy. Juristen gehen davon aus, dass es ein kurzes Verfahren wird. Die Zeugenliste dürfte kurz sein, stattdessen gehe es im Kern um eine Würdigung der sichergestellten Computerdaten.
Warum ist die Affäre für die SPD brisant?
Die SPD-Spitze um Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann behauptet felsenfest, aus ihrem Kreis sei Edathy oder dessen Umfeld nicht vor drohenden Ermittlungen gewarnt worden. CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte im Oktober 2013 Gabriel über den Verdacht gegen den SPD-Aufsteiger informiert. Friedrich kostete das den Kopf. Oppermann kam um einen Rücktritt herum, obwohl ein Anruf von ihm beim BKA-Präsidenten Jörg Ziercke sowie ein Gespräch mit Hartmann bis heute nebulös bleiben.
Kann es für Oppermann noch mal eng werden?
Eigentlich nur, wenn bei der Befragung von Edathy oder dessen früheren Vertrauten in der SPD, Michael Hartmann, glaubwürdige neue Details herauskommen. Die im „Stern“ vorab von Edathy präsentierten SMS-Kontakte mit führenden Genossen werden in der SPD als juristisch irrelevant bewertet. Von einer „Schmutzkampagne“ Edathys ist die Rede, mit der dieser von den Kinderporno-Vorwurf ablenken wolle. Eine gewisse Nervosität bleibt, ob Edathy sich einen Knaller für seinen großen Auftritt aufgehoben hat.
Wie sehr wird die Koalition durch die Affäre belastet?
Der Fall Edathy versaute Schwarz-Rot im Frühjahr den Start. Oppermann agierte danach lange auf Bewährung. Zwar betont die Union, die Affäre dürfe nicht ein zweites Mal eine Regierungskrise auslösen. Doch beim kleinsten neuen Fehler würde gerade die CSU, die Friedrich verlor, Oppermann vor sich her treiben. Anfang 2015 muss die SPD-Spitze vor den Ausschuss - der Schatten Edathy dürfte noch länger über der Koalition liegen.