Braune Landkarte: Rechtsextremismus in den Ländern
Berlin (dpa) - Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hat noch im März dieses Jahres vor einer neuen Qualität der Gewalt aus der rechtsextremen Szene gewarnt.
Neonazis aus dem Umfeld der „Kameradschaft Aachen“ waren mit selbst gebauten Bomben bei einer Demonstration der rechten Szene in Berlin gefasst worden. Auch in anderen Bundesländern sorgen Gewalttaten von Neonazis immer wieder für Schlagzeilen. Trotzdem gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass Rechtsextremisten zuletzt vielerorts an Boden verloren haben. Ein Überblick aus den Ländern:
BERLIN: In Berlin hatten rechtsextremistische Organisationen laut Verfassungsschutz im vergangenen Jahr 1510 Mitglieder. Die größte Dynamik sieht der Verfassungsschutzbericht beim Netzwerk „Freie Kräfte“, das vor allem aus „Autonomen Nationalisten“ besteht. Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten in der Hauptstadt bezifferten die Experten auf 700. Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr 1127 rechtsextreme Straftaten, darunter 29 Gewalttaten. Die Zahl der Straftaten sank damit im Vergleich zu 2009 um 10,6 Prozent.
SACHSEN: Der Verfassungsschutz listet im Bericht 2010 etwa 2670 Rechtsextreme in Sachsen auf - Tendenz sinkend. 2006 waren es noch rund 3180. Ähnlich sieht es bei den rechtsextremen Parteien aus, die innerhalb von zehn Jahren über 1000 Mitglieder verloren haben und nun bei 820 angelangt sind. Das Potenzial der Neonazis wird auf 970 Personen beziffert, die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten auf 830. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ging 2010 zurück, allerdings stieg die Zahl der Gewaltdelikte.
SACHSEN-ANHALT: Der Verfassungsschutz geht in seinem Bericht 2010 von unverändert 1390 Rechtsextremisten aus. Davon gelten 800 als gewaltbereit. In der Neonaziszene aktiv waren etwa 240. Den rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen in Sachsen-Anhalt gehörten rund 300 Menschen an, davon waren allein 250 im Landesverband der NPD organisiert. 2010 wurden 80 Gewalttaten registriert, bei denen die Ermittler von einem rechtsextremen Hintergrund ausgingen. Die Zahl der rechtsextremen Straftaten lag bei 1176.
MECKLENBURG-VORPOMMERN: Der Verfassungsschutz im Nordosten hat zuletzt zwar etwas weniger Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation gezählt, beklagt aber ein „anwachsendes Aggressionspotenzial.“ So sank die Zahl der Straftaten von 2009 bis 2010 von 823 auf 757, davon zwei Drittel sogenannte Propagandadelikte. Mit Sorge betrachtet das Innenministerium aber die gestiegene Zahl von Attacken gegen Büros anderer Parteien und die Verleumdung engagierter Politiker. Auch ein privater Briefkasten eines Staatsanwaltes wurde 2010 aufgesprengt.
THÜRINGEN: Der Verfassungsschutz rechnet der Neonaziszene 180 Anhänger zu (2009: 160). Die NPD zählte 2010 nur noch 350 Mitglieder, das ist ein Viertel weniger als im Jahr zuvor. Insgesamt wurden der rechten Szene mehr als 1000 Straftaten zugeordnet; 17,4 Prozent weniger als 2009. 44 Gewaltdelikte gingen auf das Konto rechter Täter.
BRANDENBURG: Laut Verfassungsschutz gehörten zuletzt 1170 Personen dem rechten Spektrum an. Von ihnen galten 450 als gewalttätig. Die Anzahl sogenannter Neonationalsozialisten erreichte mit 380 (plus 60) Mitgliedern den höchsten Stand seit den 1990er Jahren. Die rechtsextreme NPD wuchs nach dem Zusammenbruch der DVU auf 370 Mitglieder. Sie versucht ihre Strukturen auf kommunaler Ebene weiter auszubauen und sich ein Basis für die Landtagswahl 2014 zu schaffen. Die Kriminalstatistik wies 1141 rechtsmotivierte Straftaten aus, in 66 Fällen handelte es sich um Gewaltdelikte.
BADEN-WÜRTTEMBERG: Der Verfassungsschutz zählte 2010 rund 2200 Menschen zum rechtsextremistischen Potenzial, das ist der niedrigste Stand seit fast 20 Jahren. Darunter sind 670 Gewaltbereite, unter ihnen Skinheads und die „Autonomen Nationalisten“, 470 Neonazis und 710 Mitglieder in Parteien. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten wird auf 878 beziffert. Darunter sind 39 Gewalttaten - niedriger war die Zahl nur 1995 und 1996.
HESSEN: Auch in Hessen haben Rechtsextremisten in den letzten Jahren an Boden verloren. 2010 zählten die Verfassungsschützer noch 1450 Rechtsextremisten, von denen 400 als gewaltbereit eingestuft werden. Die schwache NPD bereitet weniger Sorge als lose organisierte jugendliche Neonazis wie die Anti-Antifa Wetzlar oder die Freien Kräfte Schwalm-Eder.
NIEDERSACHSEN: Die Zahl der Rechtsextremisten in Niedersachsen sinkt seit sechs Jahren nahezu stetig. Während der Verfassungsschutz im Jahr 2004 rund 3130 Menschen der rechtsextremistischen Szene zuordnete, waren es 2010 noch 2045. Um rund 22 Prozent ist die Gesamtzahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten von 1788 Taten (2009) auf 1391 Taten (2010) gesunken.
BREMEN: In Bremen ist die rechtsextremistische Szene nach Angaben des Verfassungsschutzes wegen der engen Zusammenarbeit der Gruppierungen eine Mischszene. Die NPD zählte nach Verlusten noch etwa 40 Mitglieder, die DVU rund 60. Der Neonazi-Szene werden etwa 20 Personen zugerechnet. Die Kameradschaft „Freie Nationalisten Bremen“ mit 15 Mitgliedern tritt seit 2008 nicht mehr in Erscheinung.
SCHLESWIG-HOLSTEIN: Der Verfassungsschutz spricht in seinem Bericht für 2010 von 1340 Rechtsextremisten. Davon seien 640 Angehörige von rechtsextremistisch orientierten Subkulturgruppen. 660 rechtsextremistische Straftaten seien 2010 verübt worden, davon 37 Gewalttaten. Dies bedeute einen deutlichen Rückgang gegenüber 2009.
HAMBURG: Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ist die von der rechtsextremistischen Szene ausgehende Gefahr in der Hansestadt 2010 „eher zurückgegangen“. Die Zahl der Rechtsextremisten sank um 50 auf 480. Laut Bericht wurden 316 rechtsextremistische Straftaten begangen, 19 mehr als ein Jahr zuvor. Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten sank von 30 auf 21.
NORDRHEIN-WESTFALEN: Die Verfassungsschützer gehen von 640 Neonazis im größten Bundesland aus. Rechtsextremistische Propagandadelikte sind rückläufig: Ihre Zahl sank von 2470 im Jahr 2009 auf 2270 im Jahr 2010. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten stieg im gleichen Zeitraum um fast 40 Prozent auf 137 - darin enthalten sind aber Taten linker und rechter Gruppen.
BAYERN: Der Verfassungsschutz in Bayern zählte im Jahr 2010 rund 700 Neonazis - und damit etwa 200 mehr als im Vorjahr. Neben den zwei überregionalen Netzwerken „Freies Netz Süd“ und „Freier Widerstand Süddeutschland“ gibt es auf regionaler Ebene das „Nationale Bündnis Niederbayern“. Hinzu kommen elf kleinere Gruppen mit jeweils 10 bis 30 Mitgliedern. Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten nahm leicht von 53 auf 58 zu.
RHEINLAND-PFALZ: In Rheinland-Pfalz ging die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straf- und Gewalttaten auf 632 zurück (2009: 819). 750 Menschen werden der Szene zugeordnet. Zur Zusammensetzung des Spektrums heißt es in dem Bericht: „Rechtsextremisten bilden keinen einheitlichen, in sich geschlossenen Block; eine rechte Volksfront existiert nicht.“
SAARLAND: Im Saarland wurden 2010 rund 340 Menschen dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet, im Vorjahr waren es noch 410. Hiervon wurden 100 Personen als gewaltbereit eingestuft. Die Zahl der Straftaten ging von 191 im Jahr 2009 auf 128 im vergangenen Jahr zurück. Davon waren 7 Gewalttaten. Namentlich erwähnt wird neben der NPD und der DVU die Kameradschaft Saarstaffel, die im Großraum Merzig beheimatet sein soll.