Geklärte und ungeklärte Fragen zur Mordserie
Berlin (dpa) - Die Mordserie von Neonazis wirft weiter Fragen auf. Täglich kommen neue Details ans Licht. Doch vor allem die Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz gibt Rätsel auf. Die wichtigsten Erkenntnisse und offenen Fragen im Überblick.
Welche Taten sind dem Neonazi-Trio zuzurechnen?
Die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe, Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos wird für die Mordserie an neun Geschäftsleuten türkischer und griechischer Abstammung zwischen 2000 und 2006 verantwortlich gemacht. Auch der Nagelbomben-Anschlag in der Kölner Innenstadt 2004 und der Mord an der Polizistin Michéle Kiesewetter 2007 in Heilbronn wird dem rechtsextremen Trio zugerechnet. Laut Bundesinnenministerium sollen weitere Morde und Sprengstoffanschläge seit 1998 geprüft werden.
Welche ungeklärten Fälle gibt es denn noch?
Zum Beispiel soll der tödliche Brand in einem von Türken bewohnten Haus in Ludwigshafen 2008 neu aufgerollt werden. Offen ist, ob das Trio womöglich auch die Messerattacke auf den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl im Jahr 2008 verübt hat.
Welche Unterstützer hatte die Terrorgruppe?
Bislang ist von drei Komplizen die Rede. Am Sonntag wurde der 37-jährige Holger G. bei Hannover festgenommen. Er soll dem Trio Führerschein und Reisepass zur Verfügung gestellt und mehrfach Wohnmobile gemietet haben. Laut dem ARD-Magazin „Fakt“ gab es auch in Sachsen einen Helfer: Neonazi Matthias D. soll die Wohnung in Zwickau gemietet haben, in der die Verdächtige Beate Zschäpe von 2001 bis 2008 unter falschen Namen lebte. Nach unbestätigten Informationen soll es einen dritten Unterstützer in Sachsen geben, der dem Trio beim Erstellen der DVD geholfen haben soll.
Warum wurde das Trio nicht schon 1998 in Jena festgenommen?
Das soll eine Untersuchungskommission überprüfen. Damals fand die Polizei in einer Garage des Trios vier Rohrbomben und Sprengstoff. Die Gruppe konnte aber trotz eines Haftbefehls und der Beobachtung durch den Landesverfassungsschutz untertauchen. Die genauen Umstände und eine mögliche Verstrickung der Jenaer Polizei sind unklar.
Warum kam man den Mördern nicht über Holger G. auf die Spur?
Das könnte an zwei schweren Ermittlungspannen liegen. Holger G. war 1999 auf Bitten Thüringens in Niedersachsen als möglicher Terrorhelfer observiert worden. Der Bericht ging aber nie an das Landeskriminalamt und wurde nach drei Jahren gelöscht. Der mutmaßliche NSU-Unterstützer wurde nicht weiter überwacht und lediglich als Mitläufer eingestuft. Nach Informationen des „Tagesspiegel“ hat es die Polizei in Heilbronn außerdem versäumt, nach dem Mord an Michéle Kiesewetter den Mieter des Fluchtfahrzeugs zu ermitteln - das soll ebenfalls Holger G. gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft wollte den Fall nicht kommentieren.
Gab es weitere Ermittlungspannen?
Nach Recherchen des MDR Thüringen gab es auch eine Panne in Sachsen: Zielfahnder des Thüringer LKA sollen Böhnhardt und Mundlos bereits 2001 in Chemnitz ins Visier genommen haben. Warum es keinen Zugriff gab, ist derzeit noch unklar. Aus Ermittlerkreisen habe es geheißen, es solle damals keine Erlaubnis gegeben haben. Das Innenministerium und das LKA äußerten sich bislang nicht.
Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz?
Laut Bundesanwaltschaft gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass der NSU eine Verbindung zum Thüringer Verfassungsschutz unterhielt. Ungeklärt ist aber nach wie vor die Rolle des ehemaligen Verfassungsschützers, der beim Mord in Kassel 2006 in einem Internetcafé gesessen und sich nicht als Zeuge gemeldet hatte.
Hatte das Trio auch Politiker im Visier?
Das ist nicht sicher. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag bestätigte, dass sein Name ebenso wie der des CSU-Abgeordneten Hans-Peter Uhl auf einer Liste stand, die im abgebrannten Wohnhaus der mutmaßlichen Rechtsterroristen in Zwickau gefunden wurde. Insgesamt hätten 88 Posten auf der Liste gestanden: Namen, Organisationen und andere Angaben. Das BKA äußerte sich nicht. Ob es sich um potenzielle Ziele oder nur politische Gegner handelte, ist offen.