Clinton schreibt Geschichte, aber Sanders gibt nicht auf

Santa Monica/New York (dpa) - Es klang nach Abschied und wurde doch ein trotziges „Wir machen weiter“. Bernie Sanders bedankte sich bei seinen Mitarbeitern, bei Tausenden Anhängern. In einem Flughafenhangar im kalifornischen Santa Monica pries er die Bewegung, die sie gemeinsam geschaffen hätten.

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Da hatte der demokratische Präsidentschaftsbewerber gerade drei Vorwahlen verloren und zwei gewonnen. Wenige Stunden später sollte er auch noch die Abstimmung in Kalifornien verlieren. Und seine Konkurrentin Hillary Clinton hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst schon die Delegiertenstimmen gesichert, die sie für die Nominierung brauchte.

Aber am Ende war seine Botschaft eindeutig. Aufgeben gilt nicht. „Wir tragen unseren Kampf für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit, für Rassengleichheit und Umweltschutz nach Philadelphia“, rief er. Seine Stimme war noch rauer als sonst. Die Menge brach in tobenden Jubel aus.

Sanders will bis zum Parteitag in Philadelphia weiterkämpfen, wo die Demokraten ihren Kandidaten endgültig küren. Der längste, teuerste, zermürbendste und nervenzehrendste Vorwahlkampf in der Geschichte der US-Demokraten geht vorerst in eine weitere Runde. Sie zählt nur nicht mehr. Die Spannung ist raus.

Die Wahllokale hatten in Kalifornien noch geöffnet, da betrat Hillary Clinton in mehr als viertausend Kilometern Entfernung an der Ostküste bereits ein Podium und erklärte sich zur Gewinnerin des Rennens.

Mit dem Sieg der Abstimmung in New Jersey hatte sie die Hürde genommen, deren Überschreiten sie zur Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei machen wird. Ganz in weiß gekleidet und vom Scheinwerferlicht erhellt wirkte sie wie eine Engelsgestalt. „Es ist das erste Mal in der Geschichte unseres Landes, dass eine Frau die Kandidatin einer großen Partei sein wird. Wir haben einen Meilenstein erreicht.“

Auf den Tag genau vor acht Jahren hatte sie im Rennen gegen Barack Obama ihre Niederlage einräumen müssen. Nun wird sie als erste Frau um die politische Position mit dem größten Einfluss in aller Welt ringen.

Fünf Monate lang dürfte sie sich dazu mit dem Republikaner Donald Trump ein Gefecht bis aufs Messer liefern, ehe am 8. November der Wähler das letzte Wort haben wird. Dann könnte Clinton Präsidentin werden, 100 Jahre und einen Tag nachdem Jeannette Rankin als erste Frau in den US-Kongress gewählt worden war. Trump will das verhindern.

Es ist ein historisches Versprechen, in das sie ihren Wahlkampf kleidet. Die erste Frau im Weißen Haus, so wie Barack Obama der erste schwarze Präsident ist. Clinton sieht sich in der Tradition der Suffragetten und der Frauenrechte-Bewegung in den 1960er Jahren und erinnert an ihre eigene Rede von 1995 in Peking, wo sie einen häufig wiederholten Satz prägte: „Frauenrechte sind Menschenrechte und Menschenrechte sind Frauenrechte.“

Das mag sich im direkten Duell mit Donald Trump ändern. Viele Frauen sind angewidert von dessen verächtlicher Rhetorik, seinem machohaften Habitus. Doch Politologen warnen Clinton auch davor, allzu sehr Frauenthemen in den Vordergrund ihres Wahlkampfes zu stellen. „Wer sich um Frauenrechte kümmert, wählt sowieso demokratisch“, sagt die Professorin Amanda Friesen von der Universität in Indianapolis. Mit anderen Worten: Mit diesem Thema kann Clinton nicht allzu viele Wähler hinzugewinnen.

Hinzu kommt: Clintons Beliebtheitswerte sind historisch niedrig, etwas, das sie mit Trump gemeinsam hat. Viele Menschen tun sich schwer mit dem, wofür sie steht. Ein Teil des verkrusteten Establishments, das die demokratische Partei nun schon seit vielen Jahren darstellt. Eine Maschinerie von Politprofis, denen gerne eine Nähe zum großen Geld unterstellt wird. Das ist nicht mehr gefragt.

Clinton kämpft um ihre Glaubwürdigkeit. Weil die leidige Geschichte mit den E-Mails, die sie als Außenministerin von einem nicht gesicherten, privaten Account versandt hatte, immer noch nicht ausgeräumt ist. Das ist Gegenstand einer Ermittlung des FBI. Schlimmstenfalls droht ihr eine Anklage.

Dieser Umstand und viele anderen Schwächen haben es Sanders, dem 74 Jahre alten Senator aus dem kleinen Ostküsten-Staat Vermont, ermöglicht, die große Weltpolitikerin Clinton monatelang vor sich her zu treiben.

Sanders' Wahlkampf glich einer nicht enden wollenden Festivalsaison. Zu kaum einem Bundesstaat passte das besser als zu Kalifornien, dem Herzland der Hippies. In dem Pazifik-Staat kamen seine Anhänger zu Wahlkampfpartys am Strand zusammen. Sein Konterfei prangte von dutzenden Batik-Shirts.

Und auch am Wahlabend herrschte unter seinen Unterstützern eine ausgelöste Stimmung. „Vielleicht bin ich ein Idealist mit großen Träumen, aber meine Hoffnungen sind groß“, sagte Zak Flying, ein 52-jähriger Ureinwohner, der ein Schild mit der Aufschrift „Natives for Bernie“ bei sich trug. Als Sanders seine Rede beendete, skandierte die Menge minutenlang „Bernie“. Fast so, als wüssten sie etwas, was der Rest des Landes nicht weiß.