„Ein Platz im Olymp“ - Otfried Preußler ist tot
Prien/München (dpa) - Generationen von Kindern liebten seine Bücher: Otfried Preußler, Schöpfer von Klassikern wie „Der Räuber Hotzenplotz“ und „Die kleine Hexe“, ist tot.
Er starb am Montag im Alter von 89 Jahren in Prien am Chiemsee, wie der Stuttgarter Thienemann Verlag am Mittwoch mitteilte. Viele seiner Werke zählen zu den beliebtesten und bekanntesten Kinderbüchern weltweit. Kollegen, Filmemacher und Politiker würdigten Preußlers als einen der Großen der Kinderliteratur. „Kinder wie Erwachsene haben ihn und seine Bücher geliebt, das wird sich auch nicht ändern. Wir werden uns gerne weiter von seinen Geschichten verzaubern lassen“, erklärte etwa Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) in Berlin.
Preußlers Bücher wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt, vielfach preisgekrönt und mehr als 50 Millionen Mal verkauft. Auch seine Bühnenstücke zählen zu den meistgespielten Werken des zeitgenössischen Kindertheaters. Der Schriftsteller erhielt den Eichendorff-Literaturpreis und war Träger des Bundesverdienstkreuzes.
Sein erster großer Erfolg gelang Preußler 1956 mit dem „Kleinen Wassermann“. 1962 erschuf Preußler den Räuber Hotzenplotz, der in mehreren Büchern dem tumben Wachtmeister Dimpfelmoser das Leben schwermacht und mit Gert Fröbe ein legendäres Gesicht bekam.
Nach dem „Kleinen Gespenst“ (1966) präsentierte Preußler 1971 schließlich seinen ersten Jugendroman „Krabat“. Das Buch wurde ein Welterfolg, der in 31 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen, ausgezeichnet wurde - darunter dem Deutschen und Europäischen Jugendbuchpreis. 2008 wurde das Buch verfilmt.
„Sams“-Erfinder Paul Maar würdigte Preußler als Schöpfer echter Klassiker. „Otfried Preußler hat eine Reihe von Büchern geschrieben, die schon heute als Kinderbuchklassiker gelten und seit mehreren Generationen geliebt und (vor-)gelesen werden“, sagte Maar der Nachrichtenagentur dpa. Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel („Rico, Oskar und die Tieferschatten“) nannte Preußler einen der ganz Großen der Kinderliteratur: „Es war ein Platz für ihn freigehalten im Olymp der deutschen Kinderbuchautoren, zwischen Kästner und Michael Ende. Den hat Otfried Preußler jetzt eingenommen.“
Auch die Kinder- und Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang („Die Wolke“) äußerte sich betroffen. „Es tut mit sehr leid, dass er gestorben ist. Er hatte in Deutschland eine wichtige Stellung in der Kinder- und Jugendbuchszene eingenommen“, sagte die 84-Jährige der dpa. „Er hatte eine blühende Fantasie.“
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) würdigte Preußler als großartigen Schriftsteller. „Er konnte auf liebenswürdige Weise belehren: nicht mit dem Zeigefinger, sondern durch ein offenes und mitfühlendes Herz.“ 2010 hatte ihm Seehofer den Maximiliansorden verliehen.
Otfried Preußler wurde am 20. Oktober 1923 im böhmischen Reichenberg geboren. Schon mit zwölf Jahren schrieb er seine ersten Geschichten. Er wollte später als Schriftsteller in Prag leben. Doch nach dem Abitur 1942 wurde Preußler zur Wehrmacht einberufen und kam nach fünf Jahren in russischer Gefangenschaft 1949 ins oberbayerische Rosenheim. Um sich eine Existenz aufzubauen, fing er noch während des Lehramtsstudiums mit dem Schreiben an - zunächst als Lokalreporter, dann als Autor für den Kinderfunk. Bis 1970 war er Volksschullehrer.
Preußler plädierte dafür, Kinder nicht zu früh mit den Problemen der Erwachsenen zu belasten. Mit seinen Büchern versuche er „nichts weiter, als den Lesern Spaß zu machen, sie in der Kunst des Lachens zu üben, ihrer Fantasie Nahrung zu geben, sie in ihrem natürlichen Lebensmut zu bestärken - und dies alles in der Hoffnung, ihnen auf solche Weise ein bisschen zusätzlicher Reserve an Kraft und Vertrauen mitgeben zu können auf den Weg in die Zukunft“, sagte der Autor nach Angaben seines Verlages einmal.
An der Debatte um die Tilgung von Begriffen wie „Negerlein“ und „Neger“ aus „Die kleine Hexe“ nahm Preußler öffentlich nicht mehr teil. Sein Verleger hatte angekündigt, Begriffe auszutauschen, die Kinder heute nicht mehr verstehen. Seit vielen Jahren lebte Preußler zurückgezogen am Chiemsee. Erst vor kurzem erschien seine letzte Veröffentlichung „Der kleine Wassermann - Sommerfest im Mühlenweiher“.
Der Münchner Filmproduzent Jakob Claussen bedauerte, dass Preußler die Verfilmung von „Das kleine Gespenst“ nicht mehr sehen konnte. „Wir hatten uns das ein bisschen als Geschenk zu seinem 90. Geburtstag vorgestellt“, sagte Claussen. Am Stuttgarter Staatstheater löste Preußlers Tod kurz vor der Uraufführung eines Balletts zum Klassiker „Krabat“ am 22. März tiefe Trauer aus.