Flug MH17 wurde vor Absturz in der Luft durchbohrt

Den Haag (dpa) - Am 17. Juli bittet die ukrainische Flugsicherung um eine kleine Kursänderung. „Malaysia eins sieben, wegen Verkehr direkt zu Punkt Romeo November Delta“, sagt der Lotse. Um 13:19:56 Uhr Ortszeit antwortet der Pilot des Flugs MH17: „Romeo November Delta, Malaysian one seven“.

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Es ist der letzte Kontakt mit der Passagiermaschine der Malaysia Airlines, die 10 Kilometer über der Ostukraine fliegt. Nur sieben Sekunden später stoppen die Flugschreiber der Boeing 777 abrupt und registrieren keine weiteren Flugdaten und Gespräche im Cockpit.

„Siehst du was?“ fragt der ukrainische Flugleiter noch seinen russischen Kollegen über Funk. Doch auch dessen Radarschirm bleibt leer. „Er ist verschwunden.“

Was geschah in diesen sieben Sekunden? Der niederländische Sicherheitsrat gab nun, knapp sieben Wochen nach dem Absturz, erste Antworten.

Objekte durchbohrten das Flugzeug von außen, mit großer Wucht und hoher Geschwindigkeit, stellten die Experten fest. Hinweise auf technisches oder menschliches Versagen gab es nicht. Die Maschine brach noch in der Luft auseinander und stürzte ab. 298 Menschen kamen ums Leben, davon waren die meisten Niederländer.

Auch die politischen Folgen waren immens. Nach dem Drama von MH17 eskalierte der Konflikt in der Ukraine und stiegen die Spannungen zwischen dem Westen und Russland. Westliche Staaten machten pro-russische Rebellen verantwortlich. Sie hätten die Maschine mit einer Flugabwehrrakete abgeschossen. Moskau soll sie an die Rebellen geliefert haben. Dagegen beschuldigten die Rebellen und auch Russland die Ukraine. Ein ukrainisches Militärflugzeug habe das Passagierflugzeug unter Beschuss genommen.

Auf die Frage nach der Ursache und den Tätern gibt der rund 30 Seiten umfassende Bericht keine handfeste Antwort. Nicht einmal das Wort Rakete kommt vor, obwohl sehr viele Indizien darauf hindeuten. Die Vokabel hat der Sicherheitsrat bewusst vermieden, wie sein Vorsitzender Tjibbe Joustra erklärt. „Wir wollen absolute Sicherheit.“ Auch zur Schuldfrage äußert sich der Rat nicht. Das ist Sache der internationalen strafrechtlichen Ermittlungen, ebenfalls unter niederländischer Leitung.

Auf den ersten Blick muss der Bericht schwer enttäuschen. Dennoch ist dies ein wichtiger Schritt zur restlosen Aufklärung, wie der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte. Zwar fehlen die hieb- und stichfesten Beweise. Aber nach dem Ausschlussverfahren bleibt nur noch eine Ursache übrig. Die Experten fanden keine Hinweise auf ein technisches oder menschliches Versagen. Auch eine Bombe kommt nicht in Frage, denn die Geschosse kamen von außen.

Auch die russischen Beschuldigungen gegen die Ukraine verweist der Rat ins Reich der Fabeln. Denn zum Zeitpunkt der Katastrophe waren nur drei zivile Maschinen im Luftraum. Die Maschine, die am dichtesten war, war 30 Kilometer von MH17 entfernt. Viel zu weit.

Vieles deutet auf einen Abschuss durch eine Boden-Luft-Rakete wie etwa das Buk-System hin. So eine Rakete explodiert in unmittelbarer Nähe einer Maschine, und tausende Metallsplitter durchlöchern das Ziel.

Ob das Drama von MH17 jemals restlos aufgeklärt wird, bleibt ungewiss. Der Sicherheitsrat will alles tun, um handfeste Beweise zu sammeln. Dazu müssen die Experten aber erst zur Absturzstelle gelangen. Dort sind vermutlich noch nicht einmal alle Opfer geborgen. Erst von 193 konnte die Identität festgestellt werden.

Die Angehörigen haben weiter viele Fragen. Für Silène Fredriksz und ihren Mann Rob, die ihren Sohn Bryce und dessen Freundin Daisy verloren, bietet der Bericht aber einen kleinen Trost. „Alles weist auf ein abruptes Ende“, hatte der Rat festgestellt. „Die Zeit war zu kurz, dass sie etwas mitbekommen haben“, sagte das Paar dem niederländischen Radio.