Wie geht es weiter mit den Russland-Sanktionen?
Brüssel/Moskau (dpa) - Die EU-Staaten haben verschärfte Sanktionen gegen die russische Wirtschaft beschlossen, die aber erst „in einigen Tagen“ in Kraft treten sollen. Dazu gehört, dass rund 20 ostukrainische Separatisten und Meinungsführer aus der russischen Politik und Wirtschaft mit Konten- und Einreisesperren belegt werden.
Warum bekommt Moskau noch eine Gnadenfrist?
Weil sich die EU-Staaten uneins waren, ob sie die Sanktionsspirale jetzt wirklich weiterdrehen wollen. Einige Staaten fürchten Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft oder wollen dem Frieden noch eine Chance geben. Neben Finnland drängte nach Angaben von EU-Diplomaten eine ganze Reihe von Ländern auf eine Verzögerung, darunter Italien. Baltische Staaten warben hingegen ebenso wie Deutschland für eine rasche Anwendung der Sanktionen. Auch Frankreich und Großbritannien hatten zuvor klar gestellt, dass sie den Schritt machen wollten.
Wie wird Russland reagieren?
Im Fall neuer EU-Sanktionen hat der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew harte Gegenmaßnahmen angekündigt. Erste Sanktionen schränken schon jetzt den Import von westlichen Lebensmitteln ein, nun ist Medwedew zufolge ein Überflugverbot für westliche Airlines denkbar. „Wenn westliche Gesellschaften unseren Luftraum meiden müssen, kann das zum Bankrott vieler Fluggesellschaften führen, die schon jetzt ums Überleben kämpfen“, sagte er.
Zuvor hatte es in russischen Medien zudem Spekulationen über ein Importverbot für westliche Autos gegeben. Möglich wären offenbar auch Lieferstopps für bestimmte Rohstoffe, wie der ehemalige russische UN-Diplomat Sergej Ordschonikidse warnt. Er spricht zum Beispiel von einer möglichen Einstellung der Titan-Lieferungen, um dem Flugzeugbauer Airbus zu schaden.
Was soll der Aufschub bewirken?
Die EU will in den nächsten Tagen beobachten, wie die Friedensbemühungen in der Ukraine voranschreiten, teilte Ratspräsident Herman Van Rompuy mit. Ein Diplomat spricht hoffnungsfroh vom „Damokles-Effekt“, also dass Russland unter erhöhtem Sanktionsdruck einlenkt. Die italienische Außenministerin und designierte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, die Verzögerung sei richtig, weil „es nötig ist, ermutigende Botschaften“ zu einem möglichen Frieden auszusenden. Steven Blockmans von der Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS) wertet die Verzögerung hingegen als Blamage: „Dieses interne Hickhack, das sich jetzt in Brüssel abspielt, dürfte in Moskau zum Gespött werden.“
Wie steht es um die Waffenruhe in der Ostukraine?
Sowohl die prowestliche Regierung in Kiew als auch die prorussischen Separatisten werfen sich gegenseitig Verstöße gegen die in Minsk vereinbarte Waffenruhe vor. Mindestens fünf Soldaten wurden nach Angaben aus Kiew seit Freitag getötet; in der Hafenstadt Mariupol kam den örtlichen Behörden zufolge eine Frau bei Granatbeschuss ums Leben. Beide Seiten betonen aber, an der Waffenruhe festhalten zu wollen, und dringen auf Verhandlungen zur Lösung des Konflikts.
Werden die neuen Sanktionen denn sicher umgesetzt?
Davon gehen in Brüssel viele aus. Die EU-Botschafter sollen an diesem Mittwoch erneut darüber beraten. Die Aussagen Van Rompuys sind jedoch nicht ganz eindeutig. Er kündigt die Umsetzung innerhalb „der nächsten Tage“ an - erklärt aber auch, die EU sei bereit, „die vereinbarten Sanktionen ganz oder teilweise noch einmal zu überdenken“. CEPS-Experte Blockmans erwartet, dass die neuen Sanktionen im Kern zur Anwendung kommen. Er meint aber auch: Wenn Zeit vergeht ohne, dass es zu einer Eskalation in der Ukraine kommt, „dann werden wir sehen, dass einzelne Mitgliedsstaaten (...) versuchen werden, weitere Teile des bisher vereinbarten Pakets zu entfernen.“