Hintergrund: Indikatoren der Krise

Frankfurt/Main (dpa) - Die Schuldenkrise im Euroraum wird häufig mit der Finanzmarktkrise von 2008 verglichen. Politiker warnen, dass eine mögliche Pleite Griechenlands andere Euro-Staaten anstecken und mit sich reißen könnte.

Als Beispiel wird der Dominoeffekt genannt, den die Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers auslöste: Erst wurde die internationale Finanzbranche in eine tiefe Krise gestürzt, später brach das Wirtschaftswachstum ein. Doch sind die beiden Krisen vergleichbar? Hier ein Überblick über oft genannte Krisenindikatoren.

- Misstrauen der Banken

Wie verhalten sich die Banken untereinander? Diese Frage eignet sich wohl am besten für einen Vergleich der Krisen. 2008 misstrauten sich die Banken so sehr, dass sie sich untereinander kaum noch Geld liehen. Denn: Niemand wusste, wer welche hochspekulativen Geschäfte abgeschlossen hatte, wie viel „Gift“ also in den Bilanzen schlummerte. Am Ende konnten nur noch die Staaten helfen, in dem sie Milliarden in das Banksystem pumpten. Zudem änderten die Notenbanken ihre Politik und stellten den Banken ausreichend Geld zur Verfügung.

Auch im Herbst 2011 ist das Misstrauen unter den Banken groß. Und wieder wird etwa bei der Europäischen Zentralbank sehr viel Geld hinterlegt. Doch anders als 2008 ist die Notenbank darauf besser vorbereitet und stellt den Banken fast unbegrenzt Geld zur Verfügung - zudem sind die Einlagen der Banken bei der EZB trotz des jüngsten Anstiegs nicht so hoch wie im Herbst 2008. Trotzdem gibt es in Europa wieder Gedankenspiele, den Sektor erneut mit Milliarden zu stützen - zumal die Banken zu den größten Gläubigern Griechenlands gehören.

- Verzinsung Staatsanleihen

Die Renditen für Anleihen von hoch verschuldeten Staaten sind eines der wichtigsten Mittel, um das Fieber in der Finanzwelt zu messen. Die Diagnose: Es steht schlecht um Patienten wie Griechenland. Die Renditen für zweijährige Anleihen aus Athen stiegen auf mehr als 60 Prozent. Diese Rendite gibt es aber nur, falls Griechenland das Geld voll zurückzahlen kann.

Im Herbst 2008 spielten Renditen auf Staatsanleihen keine Rolle. Die Rendite für Griechenland-Papiere bewegte sich in etwa auf dem Niveau deutscher Papiere. Das ist jetzt komplett anders. Während die Zinsen deutscher Staatsanleihen (zehn Jahre) zuletzt auf neue Tiefststände von unter zwei Prozent fielen, mussten Italien und Spanien immer mehr Zinsen versprechen, um sich am Markt mit frischem Geld zu versorgen. Hier sieht die Lage also deutlich schlechter aus als 2008 - was aber logisch ist, da es sich ja um eine Staatsschuldenkrise handelt.

- Die Bewertung der Ratingagenturen

Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu 2008: Im aktuellen Schuldendebakel geben die drei großen Ratingagenturen Fitch, Moody's und Standard & Poor's (S&P) mit ihren Abstufungen den Takt für die Märkte und die Politik vor. Allein die Abwertung der USA sorgte rund um den Globus für Schlagzeilen.

2008 dagegen ging es zunächst kaum um die Bewertung durch die Agenturen. Erst im Nachhinein wurden sie heftig kritisiert: Der Vorwurf lautete, sie hätten die Banken viel zu spät schlechter bewertet, Risiken also lange nicht angemessen gewürdigt.

- CDS/Kreditausfallversicherungen

Die Kurstafeln von Credit Default Swaps (CDS) - zu deutsch Kreditausfallversicherungen - werden gerne als Krisenbarometer benutzt. Mit dieser Versicherung soll ein möglicher Zahlungsausfall - etwa bei einer Staatsanleihe - abgesichert werden. Je schlechter ein Land da steht, desto höher die Summe, die es für eine Kreditausfallversicherung zahlen muss.

Die Kosten für mögliche Ausfälle Griechenlands oder anderer hoch verschuldeter Staaten zogen zuletzt deutlich an. Ähnlich wie bei der Verzinsung ist ein Vergleich mit den Werten von 2008 aber nicht zulässig - denn die Pleite eines Euro-Landes wurde gar nicht für möglich gehalten.

Gleichwohl spielten CDS auch 2008 eine Rolle - aber andere CDS. Es ging nicht um Kreditausfallversicherungen für Staatsanleihen, sondern um CDS auf den Ausfall hochspekulativer Wertpapiere, die Kredite für den amerikanischen Häusermarkt bündelten. Der damals größte Emittent solcher Produkte, der amerikanische Versicherer American International Group (AIG), konnte die Schadenssummen aus den Ausfällen nur zahlen, weil er vorher vom Staat gerettet wurde.

Noch heute hängt AIG am Tropf des Staates. Und noch immer ist dieser Markt kaum reguliert; es gibt keine staatliche Kontrolle über die ausgegebenen Papiere. Sie sind damit erneut eines der größten Probleme - auch in der aktuellen Krise. „Wer welche hält und ob er die Risiken bedienen kann, ist unklar“, sagt Hans-Peter Burghof, Bankenexperte an der Universität Hohenheim.

- Entwicklung an den Märkten

Die Ausschläge an den Aktien-, Währungs- und Rohstoffmärkten waren und sind in beiden Krisen extrem hoch. 2008 stürzten vor allem die Kurse amerikanischer Bankaktien ins Bodenlose. In der aktuellen Krise blieben die Aktienmärkte lange von der Krise verschont. Im Gegenteil: Bis Ende Juli kletterte zum Beispiel der Dax beständig. Ab Juli ging es aber kräftig nach unten. Vor allem die teils zweistelligen Ausschläge bei Finanzwerten erinnerten an 2008. Seit Freitag vergangener Woche geht es aber wieder rasant aufwärts - in der Hoffnung auf eine Lösung der europäischen Schuldenkrise.