Republikaner wenden sich ab Las Vegas: Donald Trumps Spiel mit dem Feuer
Las Vegas (dpa) - Im letzten Drittel kommt der Kracher, der diese Debatte definieren wird und die Wahl endgültig entscheiden kann. Ob er, Donald Trump, das Wahlergebnis des 8. November anerkennen werde?
Nun, sagt der - mal sehen.
Noch nie in der US-Geschichte hat es einen Präsidentschaftskandidaten gegeben, der ein Wahlergebnis nicht anerkennt. Der sehr gute Moderator Chris Wallace ist sichtlich irritiert, baut dem zornigen Republikaner eine Brücke, beschwört die lange Tradition, wonach der Verlierer den Sieger anerkenne - zum Wohle des Landes, damit es nach langem Kampf wieder zusammenfinde. Aber Trump bleibt störrisch: Man werde sehen. Keine Zusage.
Die Reaktionen sind in den USA einhellig, vernichtend, oft entsetzt. Ein Anschlag auf einen Grundpfeiler der Demokratie nennen das US-Medien. Weitere Republikaner wenden sich von ihrem Kandidaten ab, fassungslos. Eilig versichert die Parteiführung, aber sicher werde man das Ergebnis anerkennen - ein weiterer Bruch mit dem Kandidaten.
Auch Trumps Lager bemühte sich nach Las Vegas, den Eindruck zu streuen, er werde das Ergebnis akzeptieren. Nicht nur US-Medien empfinden es als starkes Stück, dass das überhaupt der Erwähnung wert ist. Seit Tagen behauptet Trump, die Wahl werde ihm gestohlen. Verschwörung, Kartelle, die Medien, alle seien für Hillary Clinton. In einem aufgeladenen, gespaltenen Land ein Spiel mit dem Feuer.
Seit Monaten gibt Clinton sich alle Mühe, Trump als Gefahr für die Demokratie darzustellen. Mit seiner nun an den Tag gelegten Haltung erfülle Trump diese Erwartung perfekt, kommentiert CNN am Morgen danach.
Dass Trump ordentlich vorbereitet wirkte und durchaus seine Punkte machte, wird keine Rolle mehr spielen. Die gesamte dritte Debatte wird auf den einen Moment zusammenschnurren, in dem Trump mit schmalen Augen ein klares Ja auf die entscheidende Frage verweigert.
Dabei hatte für ihn alles nicht schlecht begonnen. Eine halbe Stunde lang war er konzentriert und bei sich. Dann, wie schon in früheren Debatten, konnte er irgendwie nicht mehr an sich halten. Als halte er das alles nicht mehr aus.
Da alle wichtigen Umfragen Trump mit wachsendem Abstand hinten sehen, musste der in der Stadt der Spieler vollen Einsatz gehen.
Die Debatte selbst hatte tatsächlich hochintensive, inhaltliche Momente, knisternd vor Ernsthaftigkeit, mit fundamentalen Unterschieden der Positionen. Neue Konzepte gab es nicht - wer noch keine Vorstellung von den Kandidaten hatte, konnte sie sich jetzt machen. Wer schon ein Bild hatte, durfte alle Farben nochmals kräftig nachmalen.
Für Trump galt diese Debatte als eine letzte Chance, das Ruder noch herumzureißen. Nur mit einem haushohen Sieg hätte ihm Las Vegas vielleicht etwas gebracht. Nicht nur die Blitzumfragen danach machten klar, dass das nicht gelungen ist.
Es bleibt dabei: Diese Kandidaten sind sich gegenseitig die größte Quelle ihrer Kraft. Nichts befeuert ihre Lager mehr als die Motivation, nur ja den jeweils anderen im Weißen Haus zu verhindern.
Clinton, in das strahlende Weiß einer Art Engelsuniform gewandet, gibt sich extrem präsidentiell. Ruhig und schneidend. Als hätte sie diese Art der Auseinandersetzung unendlich satt.
Dabei bleibt Clinton bei aller Souveränität eine verwundbare, beschädigte Kandidatin. Die Vorwürfe gegen ihre Stiftung, gegen Interessenkonflikte in ihrer Zeit als US-Außenministerin, bleiben eine weit offene Flanke. In den durchgestochenen Reden und Mail-Konversationen der Enthüllungsplattform Wikileaks wird ein großer Spalt sichtbar zwischen der privaten und der öffentlichen Person Clinton.
Das nährt den Ruf ihrer mangelnden Glaubwürdigkeit. Die Amerikaner trauen ihr nicht, oder sie trauen ihr alles zu - auch daran wird sich bis zum 8. November nicht mehr viel ändern.
Trump markiert Clinton als problematischen Teil des Establishments, immer dabei und immer erfolglos. Clinton brandmarkt Trump als eine Art Reality-TV-Clown, der um Himmels Willen fern vom Oval Office bleiben müsse. Schon für einen einfachen Handschlag der beiden Bewerber reicht es nicht mehr, weder vorher noch nachher, soweit ist es nun gekommen.
Nach einer Stunde kommt die Sprache auf die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs an Trumps Adresse. Ruhig und voller Anteilnahme zählt Clinton sie auf, ein starker Moment. Trump weist alles zurück. „Niemand hat mehr Respekt für Frauen als ich“, sagt er. Neun Frauen haben anderes Zeugnis abgelegt.
In Nate Silvers populärem Blog „538“ waren Trumps Chancen auf einen Wahlsieg schon vor Las Vegas auf 13,7 Prozent abgestürzt. Erste US-Medien legen sich fest: Ein Kolumnist der „Washington Post“ schrieb, Trumps Weg zur Präsidentschaft sei nicht mehr nur eng. Er sei nicht mehr existent.
Das Trump-Lager will die Anhängerschaft nun zusammenzuschweißen. Wer seine Veranstaltungen besucht, erlebt in der Tat eine noch größere Leidenschaft für den Polit-Außenseiter. Aber sein Lager wächst nicht weiter. Will Trump ins Weiße Haus, muss es das. Es ist deswegen nicht klar, welchen Sinn sein zerstörerischer Kurs haben soll.
Keine drei Wochen mehr bis zur Wahl. Der eine Kandidat möchte seine Kontrahentin ins Gefängnis werfen lassen und eine mögliche Niederlage vielleicht nicht anerkennen. Die andere bleibt dem Gegner in historischen Werten der Unbeliebtheit verbunden. All das wirft einen dunklen Schatten auf den Rest dieses Wahlkampfs - und wohl weit darüber hinaus.