Tagebuch eines Deserteurs: „Ich rannte wie ein Hase“

Beirut (dpa) - Abu Omar hat Angst. Nervös überprüft der aus Syrien stammende Deserteur alle Besucher auf Waffen, Aufnahmegeräte und Kameras. Der Mitte 40-Jährige versteckt sich bei Verwandten in der libanesischen Hauptstadt.

Aus Angst vor Repressalien will er seinen richtigen Namen nicht nennen. Eine Sonnenbrille verdeckt seine Augen. Mit leiser Stimme erzählt er von seiner Flucht vor dem Regime von Baschar al-Assad.

„Ich musste rennen wie ein Hase um zu entkommen, über Berge und durch Täler“, sagt er der Nachrichtenagentur dpa. Abu Omar begann seine Flucht aus seiner Heimatprovinz Idlib nahe der türkischen Grenze in den Nordlibanon am 11. Dezember. „Die Leute nennen es die "Todesreise", weil so wenige überleben.“

Der Soldat beschloss zu desertieren, als sein Kommandant ihm im Oktober befahl, in der Provinz Homs auf demonstrierende Regimegegner zu schießen. „Das war zu viel für mich. Gemeinsam mit zehn anderen Soldaten gelang es mir wegzulaufen.“ Schutz suchte er in Idlib. Abu Omar trat - so wie etwa 25 000 andere Deserteure - der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) bei. Die 22 Bataillone der FSA seien über ganz Syrien verteilt, sagt der Fahnenflüchtige.

Die Lage in Idlib, einer Hochburg der Deserteure, bezeichnet er als sehr gefährlich. Die Schläger des Regimes würden jeden Zivilisten töten, von dem sie glaubten, er sei ein Deserteur oder unterstütze die Opposition, so Abu Omar.

Wenige Stunden vor der Ankunft der ersten arabischen Beobachter in Syrien haben Aktivisten von neuen Massakern in der Provinz berichtet. Fast 100 Menschen sollen getötet worden sein. „Das Regime ist wütend“, sagt Abu Omar. In den vergangenen beiden Tagen seien mehr als 10 000 Soldaten desertiert. Die Mehrheit der etwa 300 000 syrischen Armeeangehörigen unterstützt allerdings das Regime.

In Idlib kam es in den vergangenen Wochen immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Deserteuren und Armeeinheiten. Abu Omar kam bei einem dieser Gefechte nur knapp mit dem Leben davon. „Sie waren 20, wir neun. Ich war der Einzige, der überlebte, all meine Kameraden starben“, erzählt er. Dorfbewohner pflegten den Verletzten. „Sie sagten, die Armee suche nach mir und zeigten mir den Weg zu einer Bergstraße, über die ich mich in Sicherheit bringen konnte.“

Seine Flucht zur libanesischen Grenze führte ihn durch mehrere Städte in Syrien. Armeekontrollen passierte der flüchtige Soldat als Frau verkleidet. Andere Deserteure halfen bei der Überquerung der mit Landminen übersäten Grenze. Nach sechs Tagen hatte es Abu Omar geschafft. Seit dem 17. Dezember gewähren ihm Verwandte Unterschlupf.

Aber selbst in diesem auf den ersten Blick sicheren Versteck fürchtet er die syrischen Sicherheitskräfte. „Die Geheimdienste sind sehr mächtig. Sie können mich aus dem Libanon entführen und zurück nach Syrien bringen. Dort erwartet mich der sichere Tod“, so Abu Omar. „Anderen ist das schon passiert.“

Verstecken will sich der Deserteur aber nicht auf Dauer. „Sobald meine Wunde verheilt ist, gehe ich zurück“, verspricht Abu Omar mit fester Stimme.

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