Feature Terroralarm im Herzen Brüssels
Brüssel (dpa) - Es ist ein ungewöhnlich lauer Abend in Brüssel, überall im historischen Stadtzentrum genießen Menschen in Straßencafés den Ausklang des Tages - da bricht für einen Moment Unruhe aus.
Der Schrecken, den die Brüsseler seit den Terroranschlägen vom vergangen Jahr noch gut in Erinnerung haben, kehrt für einen Moment zurück.
Gegen 20.30 Uhr, so wird es später die Staatsanwaltschaft rekonstruieren, ist aus dem Zentralbahnhof eine kleine Explosion zu hören, mitten in der Innenstadt, unweit der prächtigen Grand-Place, einer der wichtigsten Touristenattraktionen der belgischen Hauptstadt. Im Gebäude geraten Menschen in Panik, wie Augenzeugen berichten. Etwa 100 Personen, so schätzt später eine Mitarbeiterin der belgischen Bahn, sind zu dem Zeitpunkt im Bahnhof.
Dort sind auch, wie seit den Terrorattacken im vorigen Jahr fast überall an öffentlichen Plätzen in Belgien, Soldaten mit der Waffe im Anschlag. Sie schreiten nach Angaben der Staatsanwaltschaft sofort ein und schießen auf einen Mann, der für die Explosion verantwortlich sein soll. „Der Mann wurde neutralisiert“, erklärt die Staatsanwaltschaft. Ein Foto macht später die Runde: Ein Feuerschein wie ein brennender Busch in der Bahnhofshalle.
Über Stunden ist nicht völlig klar, ob der mutmaßliche Täter einen Sprengsatz an seinem Körper trug oder in einer Tasche in der Nähe hatte. Auch bleibt lange offen, ob er tot ist oder noch lebt. Noch Stunden später soll der Niedergeschossene im Gebäude sein. Erst nach Mitternacht bestätigen die Behörden: Er ist tot.
Inzwischen ist die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Ihr Sprecher Eric van der Sijpt eilt zum Tatort und bestätigt dann auch vor laufenden Kameras: „Wir behandeln das als Terroranschlag.“ Es gebe keine Verletzten. Die Lage sei unter Kontrolle. Viel mehr gibt er nicht preis.
Der Bahnhof ist zu dem Zeitpunkt längst evakuiert. Sicherheitskräfte durchkämmen ihn auf der Suche nach möglichen weiteren Tätern - und auch nach Opfern. Doch zum Glück wird bis auf den Täter niemand verletzt oder gar getötet, so heißt es jedenfalls am späten Dienstagabend.
Rund um den Zentralbahnhof ist alles abgesperrt, Polizeiwagen und Ambulanzen sind aufgefahren. Polizisten bitten Passanten, sich zu entfernen. Möglichst solle man geschlossene Räume aufsuchen. Kaum einer leistet dem Folge - und es wird auch niemand gedrängt. Alles sehr unaufgeregt.
Einige Augenzeugen geben Informationsfetzen weiter, so wie der Bahnhofsvorsteher Jean-Michel Michel. Er hat die Explosion gehört und den Täter gesehen, wie er sagt. Und er habe gehört, wie der Mann in den Dreißigern „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) gemurmelt habe - gemurmelt, nicht gerufen. Eine der vielen Seltsamkeiten an diesem Abend.
Denn so sehr die unmittelbar Betroffenen in Angst und Schrecken versetzt wurden, so aufgeregt auch kurz nach der Tat in sozialen Medien berichtet wurde - nur wenige Hundert Meter entfernt vom Tatort scheint die Brüsseler Innenstadt irgendwie unberührt vom Geschehen. Die Grand-Place ist weiter belebt, Gerüchte von einer Räumung erweisen sich als falsch. In den Straßencafés sitzen Stunden später immer noch Menschen und trinken entspannt ihr Feierabendbier. Fast so, als wäre nichts gewesen.