Falschen Knopf gedrückt Warnung vor Raketenangriff auf Hawaii - Fehlalarm im Paradies
Honolulu (dpa) — Studenten rennen panisch über den Campus der Universität von Hawaii. Touristen räumen den berühmten Sandstrand von Waikiki. Familien verbarrikadieren sich im Badezimmer, suchen Zuflucht in der Kanalisation.
Für mehr als eine halbe Stunde herrschte am Samstag im US-Bundesstaat Hawaii der Ausnahmezustand.
Der Grund: Raketenalarm. Die Katastrophenschutzbehörde EMA des Bundesstaats hatte am Samstagmorgen die Bevölkerung per SMS-Nachricht vor einer Rakete gewarnt, die im Anflug auf Hawaii sei. „Dies ist keine Übung“, hieß es in der Nachricht am Samstagmorgen (Ortszeit), die auch über Radio und Fernsehen verbreitet wurde. Die Bevölkerung solle unverzüglich Schutz suchen.
„Ich habe meinem Sohn sofort gesagt, "Schuhe anziehen und raus zur nächsten Tiefgarage". Der hat sich noch eine lange Hose angezogen und gemütlich Socken ausgesucht. Ich fing an die Minuten zu zählen, da wir nur zehn bis 15 Minuten haben, um unter Tage zu kommen“, berichtet Denis Salle, der Honorarkonsul für die Bundesrepublik Deutschland in Hawaii, der Deutschen Presse-Agentur.
Der Hawaii-Landtagsabgeordnete Matt LoPresti berichtete dem Nachrichtensender CNN: „Ich saß mit meinen Kindern in der Badewanne und wir haben gebetet.“ In einem Video auf den sozialen Netzwerken war sogar zu sehen, wie eine Familie in einem Kanalisationsschacht Unterschlupf suchte.
Die deutsche Reporterin Katharina Kerzdörfer, die im Urlaub auf Hawaii den Fehlalarm miterlebte, berichtete im Bayerischen Rundfunk:
„Im Hotel brach sofort Panik aus, Leute rannten über die Gänge und schrien im Innenhof. Aus der Ferne hörte man Sirenen. Nur mit dem Allernötigsten (Handy...) liefen die meisten in den Keller, wo ein Hotelangestellter einen Technikraum spontan zum Bunker für etwa zwei Dutzend Menschen erklärte. Niemand hatte Handynetz, es herrschte also für einige Minuten völlige Ungewissheit.“
Für Besucher der Pearl-Harbor-Gedenkstätte war die Falschmeldung ein besonders emotionaler Moment. Sie mussten in einem Vorführraum ausharren, in dem ein Film die Ereignisse des 7. Dezembers 1941 schildert. Damals wurde der US-Militärstützpunkt auf Hawaii von japanischen Kampfflugzeugen angegriffen - Auslöser für den Kriegseintritt der USA.
Die Katastrophenschützer korrigierten ihre eigene Nachricht 38 Minuten später auf gleichem Weg, kurz zuvor bereits via Twitter und Facebook. Beim Schichtwechsel habe jemand fälschlicherweise die Informationskette ausgelöst, die zu der Handy-Warnung geführt habe, hieß es zur Erklärung später.
In der Zeit zwischen dem Auslösen des Fehlalarms und der späteren Korrektur verzeichneten die Behörden in der Landeshauptstadt Honolulu mehr als 5000 Notrufe, erklärte Bürgermeister Kirk Caldwell auf einer Pressekonferenz. „Mehr als diese bewältigen konnten“, so Caldwell weiter. Insgesamt leben auf der Inselkette im Pazifik etwa 1,5 Millionen Menschen. Nach Schätzungen des Honorarkonsuls Salle sind darunter auch 3000 bis 4000 deutsche Staatsbürger. Genaue Zahlen gibt es dazu aber nicht.
„Im Ernstfall wäre der größte Teil der Bevölkerung völlig ungeschützt gewesen. Die Geschwindigkeit der Ereignisse ist so verheerend, dass eigentlich auch ein funktionierendes Warnsystem nur wenig ausrichten kann“, sagte Salle.
Die Regierung von Hawaii schätzt das anders ein: Im Falle eines echten Angriffs aus Nordkorea blieben den Bürgern zwischen Alarmierung und Einschlag 12 bis 15 Minuten Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, wurde im Oktober 2017 in einem Informationsschreiben vorgerechnet. Es werde damit gerechnet, dass 90 Prozent der Inselbewohner so einen Angriff überleben könnten.
Die Furcht vor einem Raketeneinschlag begleitet die Menschen in Hawaii seit Monaten - verstärkt durch nordkoreanische Tests, aber auch durch die verbale Aufrüstung sowohl des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong Un wie des US-Präsidenten Donald Trump. Dieser hatte jüngst damit geprahlt, er habe einen „größeren Atomwaffenknopf“ als sein Widersacher in Pjöngjang.
Auf Twitter wurde Trump nach dem Fehlalarm scharf angegriffen. Schauspieler Jim Carrey, der sich am Samstag in Hawaii aufhielt, schrieb: „Wenn wir es diesem Ein-Mann-Gomorra und seinem korrupten republikanischen Kongress weiterhin erlauben, die Welt zu verprellen, dann bewegen wir uns in Richtung Leid, das über unser Vorstellungsvermögen geht.“ Seine Kollegin Jamie Lee Curtis warf dem Präsidenten vor: „Für die Raketenangst sind Sie verantwortlich, Herr Trump. Für die echte Angst, die Mütter und Väter und Kinder hatten, sind Sie verantwortlich.“