Tita Giese: Essigbäume sollten wie Palmen auf Asphaltfelsen blühen
Die Pflanzenkünstlerin plante ein Projekt über dem U-Bahn-Tunnel auf dem Wehrhahn. Die Stadt wollte es, dennoch ist es gescheitert, weil dort schon andere Bäume stehen.
Yuccas in Autoreifen am Stresemannplatz, ein Mini-Urwald auf dem Ernst-Reuter-Platz – Tita Giese hat schon einige Pflanzenprojekte in Düsseldorf verwirklicht. Über dem U-Bahn-Tunnel auf dem Wehrhahn wollte sie ein neues umsetzen und würde es gerne immer noch. Es nennt sich „123 Essigbäume wie Palmen auf Asphaltfelsen“. Im Visier stehen zwei Streifen und zwei kleine Straßeninseln. Sie befinden sich hinter der Öffnung, aus der die U-Bahn nach Osten fährt. Die Gesamtfläche beträgt 270 Quadratmeter. „Ich hatte schon lange das Bild im Kopf, wie Pflanzen aus beschädigten Straßen herauswachsen.
Im Herbst 2017 lagen plötzlich riesige Asphalt-Beton-Elemente der aufgerissenen Straße auf dem Wehrhahn herum – es sah aus wie nach einem Erdbeben. „Einfach fantastisch“, sagt Giese. Um die exotische Situation zu steigern, will sie die Asphalt-Beton-Teile aufeinanderschichten und mit 123 Essigbäumen bepflanzen, die wie Palmen beschnitten werden. „Sie haben wunderbar gefiederte Blätter, färben sich im Herbst in tolle Pink- und Scharlachtöne und bilden völlig verrückte, weinrote Fruchtkolben. „Das ist sozusagen Palmenexotik für alle“, meint Giese.
Seit knapp 40 Jahren realisiert sie exotische Inseln mitten im Straßenverkehr der Stadt. Sie bepflanzt urbane Restflächen, randständige, unauffällige Orte – so kam auch die Stelle über der Wehrhahn-Linie ins Spiel. „Es war für mich logisch, diese Beton-Asphalt-Teile nicht zu entsorgen, sondern auf dem daneben liegenden Grünstreifen aufzuschichten – so hätte die Entsorgung gespart werden können. Außerdem ist der Ort völlig unspektakulär und fast unsichtbar wie unter einer Tarnkappe. Der Ort würde dadurch sichtbar gemacht und sensationell verwandelt, so Tita Giese.
Der Essigbaum hält Dürre
und tiefe Minusgrade aus
Was aber reizt sie daran, mit Essigbäumen zu arbeiten, die in den 1950er Jahren bei Gartenbesitzern in Mode waren? „Ich finde aufregend, dass die ehemaligen Deko-Vorgarten-Zierbäume, die ursprünglich aus Nordamerika und China kommen, sich überall unkrautartig auf Ruderalflächen und Schutthalden ausgebreitet haben. Essigbäume halten tiefe Minusgrade und extreme Hitzeperioden ohne künstliche Bewässerung aus, was man gut in New York sehen kann, wo alles voll davon ist. Sie wachsen sogar aus Ritzen auf der Chinesischen Mauer. Der Essigbaum ist der globale Großstadtbaum schlechthin.“
Paradoxerweise findet sich der Essigbaum in keiner Baumschule. Dies liege darin begründet, dass „sogenannte Landschaftsarchitekten“ die Essigbäume geächtet hätten – weil sie sich so stark ausbreiten würden und nicht „heimisch“ seien. Alle Baumschulen würden sich danach richten. „In der Schweiz, wo die Ideologie der sogenannten ‚heimischen Pflanzen‘ erfunden wurde, sind sie sogar verboten.“
Doch Tita Giese hat eine Baumschule in Düsseldorf gefunden, welche die Bäume noch in ihrem Bestand hat. Die Asphalt-Beton-Elemente würde das Straßenbauunternehmen liefern, das die Straße auf dem Wehrhahn aufgerissen hat. Das Unternehmen würde sie zu den Straßeninseln über dem U-Bahn-Tunnel transportieren und nach Gieses Angaben aufschichten.
Zudem sei das Pflanzenprojekt billig. Die Gesamtkosten beliefen sich auf etwa 57 000 Euro. „Von dieser Summe können die vom Gartenamt geplanten Bäume und Pflanzkosten, sowie das Anlegen der Rasenflächen abgezogen werden, so dass der Gesamtbetrag bei circa 35 000 Euro liegt“, sagt Giese. Sie habe das Pflanzenprojekt den zuständigen Dezernaten für Planung, Umwelt und Kultur sowie der Kunstkommission vorgestellt, aber: „Da läuft überhaupt nichts.“ Auf Anfrage erklärte Planungsdezernentin Cornelia Zuschke, dass sie Gieses Projekt mit Kulturdezernent Hans-Georg Lohe und Umweltdezernentin Helga Stulgies gern gefördert hätte. Allerdings hätten dort schon Bäume gestanden, die dann wieder entfernt werden sollten. „Dafür sollten dann die Essigbäume gepflanzt werden, die jedoch im gesetzlichen Sinne kein adäquater Ausgleichsersatz für die Großbäume im Straßenraum wären“, erklärt Zuschke.
Dies hätte die Planfeststellung geändert, die Genehmigung hätte unter Umständen neu gestellt werden müssen, was wiederum nicht möglich gewesen sei, weil schon gebaut war. Die Einbaumehrkosten und Unterhaltungskosten hätten die Dezernate sonst übernommen. „Es ist schade, weil die Felsen, durch die das Grün dringt, ein schönes urbanes Thema sind“, so Zuschke. Sie plädiert dafür, solche Projekte eher einzubeziehen und verweist auf die Kunstkommission, die früher Einfluss nehmen könnte.