Arcandor: Mittelschicht statt Luxus
Der Handels- und Touristikriese macht eine Kehrtwende. Die neue Zielgruppe ist nun „Otto-Normalbürger“.
Düsseldorf. Mit dem Einzug des nüchternen Finanzexperten Karl-Gerhard Eick zerplatzt bei Arcandor der Traum vom Luxus. Anstelle des von seinem Vorgänger Thomas Middelhoff propagierten Geschäfts mit Luxuswarenhäusern setzt der ehemalige Telekom-Finanzchef nun auf eine breite Schicht von 40 Millionen Kunden in der "profilierten Mitte".
Für den Manager drängt beim Umbau des Konzerns die Zeit: Mit seinem neuen Konzept muss er schon bald Banken und Investoren überzeugen. Noch bis Ende des Jahres muss er 950 Millionen Euro an Krediten verlängern. Erst im vergangenen Herbst hatten ins Stocken geratene Finanzierungsgespräche den Konzern in eine Existenz-Krise gestürzt. Nun klafft eine neue Lücke. Zusätzlich bis zu 900 Millionen Euro sind notwendig, um den Konzern am Leben zu erhalten.
Neues Leben einhauchen soll dem kriselnden Warenhausgeschäft die Rückbesinnung auf "Otto-Normalbürger". "Die Kerngruppe ist vorwiegend weiblich und 35 bis 65 Jahre alt", beschrieb Eick den künftigen Karstadt-Kunden und gebraucht dabei Vokabeln wie "familienorientiert", "bürgerlich" und "dem klassischen Wertesystem verbunden". Zur Kernzielgruppe zählen dabei Haushalte mit einem Netto-Einkommen von deutlich unter 2000 Euro.
Entsprechend sollen sich die Sortimente der verbleibenden 81 Warenhäuser ändern. Sie werden stärker auf die Bereiche Mode, Sport und Fitness fokussiert. Dafür sollen die weniger profitablen Multimedia-Abteilungen schrumpfen. Eick glaubt fest an die Zukunft des Warenhauses: "Das belegen die bis zu zwei Millionen Kunden, die Tag für Tag in unsere 92 Warenhäuser kommen."
Von einem Vergleich mit der ums Überleben kämpfenden Warenhauskette Hertie will man nichts hören. Auch dort setzt man auf die bürgerliche Mitte. 2008 hatte die von britischen Investoren übernommene Gruppe aus ehemaligen Karstadt-Häusern Insolvenz angemeldet.
Am Ostermontag musste die Billigkaufhauskette Woolworth ebenfalls diesen Schritt gehen. Neben der Konkurrenz von Fachgeschäften und Discountern machen den Karstadt-Häusern auch die Mieten in den Innenstadtlagen zu schaffen. Eick-Vorgänger Thomas Middelhoff hatte sich zum Abbau der Milliarden-Schulden des Konzerns zuvor von den Warenhaus-Immobilien getrennt.
Vermutlich verabschieden muss sich Eick von seinen "Warenhaus-Perlen". Die profitablen Luxushäuser KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München sollen zusammen mit neun weniger gut laufenden Karstadt- und Sporthäusern (Alter Markt Kiel, Hanau, Kaiserslautern, Hamburg-Billstedt, Bottrop, Leipzig, Ludwigsburg, München am Dom und Karstadt Sports Recklinghausen) in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert werden.
Dabei kommen unter dem Dach der Gesellschaft Atrys ganz ungleiche Partner zusammen. Alle eint, dass sie nicht mehr in das neue Konzept passen. Während die Luxus-Häuser verkauft werden, ist aber noch offen, was mit den verlustreichen Karstadt-Filialen passieren soll. Von Verkauf bis zur Schließung ist alles möglich.
Als weiteren Sanierungsschritt will der Arcandor-Chef den Einkauf von Quelle und Karstadt zentralisieren und damit möglichst schnell bis zu 350 Millionen Euro sparen. Der Düsseldorfer Arcandor-Konkurrent Metro macht im Rahmen seines Sanierungsprogramms gerade genau das Gegenteil: Der zentrale Einkauf wird aufgelöst und auf die einzelnen Sparten wie Kaufhof, Real, Media Markt und Saturn verteilt.