Bundesnetzagentur rechnet mit Strompreiserhöhungen
Bonn/München (dpa) - Die Energiewende macht den Bau leistungsfähiger Stromtrassen notwendig. Fortschritt hat seinen Preis: Die Finanzierung könnte den ohnehin stetig steigenden Strompreis weiter nach oben treiben.
Hochrechnungen der Bundesnetzagentur ergeben, dass sich Haushaltsstrom in den kommenden Jahren allein durch höhere Netzentgelte um fünf bis sieben Prozent verteuern wird. Hintergrund ist der durch mehr alternative Energien notwendige Ausbau der Stromnetze.
Unterdessen steigen die Strompreise bereits in den nächsten Monaten weiter an: Nach Recherchen des Vergleichsportals Check24 werden im April und Mai 113 Stromanbieter in Deutschland ihre Preise erhöhen. Im Schnitt würden damit die Preise für eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden um 43 Euro steigen. Dies entspricht einem Zuwachs von drei Prozent. Betroffen seien rund 2,6 Millionen Haushalte vor allem in Rheinland-Pfalz, Bayern und Nordrhein-Westfalen.
Zur Energiewende bestätigte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur einen entsprechenden Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ/Montag). Der Zeitung lag ein Bericht der Netzagentur für ihren politischen Beirat vor, der am Montag in Berlin tagte.
Das Netzentgelt macht etwa ein Viertel des Strompreises aus. In dem Papier wird eine Steigerung um 16 bis 24 Prozent unterstellt. Für Industriestrom ist sogar eine Erhöhung der Netzentgelte um bis zu 54 Prozent und eine Strompreissteigerung von bis zu acht Prozent absehbar. Nicht berücksichtigt werden in dem Papier andere Kostenfaktoren der Energiewende wie höhere Strombeschaffungspreise durch den Bau neuer Kraftwerke oder eine steigende Umlage für erneuerbare Energien.
Die Behörde stützt ihre Hochrechnungen auf Szenarien für den Netzausbau. Wegen des geplanten schnellen Anstiegs des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung parallel zum Ausstieg aus der Atomenergie muss die Netzinfrastruktur modernisiert werden. Die angenommene Investitionsspanne reicht von knapp 30 bis zu 47,5 Milliarden Euro. Genauere Berechnungen werden erst nach Vorlage des Bundesbedarfsplans für die Netze möglich sein, der im Laufe des Jahres erwartet wird. Die Energiewende werde zwangsläufig „zu einer weiteren Erhöhung der Netzentgelte und damit des Strompreises führen“, zitiert die „FAZ“ aus dem Bericht.
Für höhere Kosten sorgt auch die im Sommer 2011 neu beschlossene Stromnetzentgeltverordnung. Danach können Unternehmen mit hohem Stromverbrauch Rabatte beantragen. Die Zahl der Anträge auf Ermäßigung oder Befreiung von den Netzentgelten sei in die Höhe geschnellt, heißt es in dem Papier. Dieser Weg stehe nicht nur energieintensiven Industriezweigen wie Chemie, Metall oder Glas offen. Auch der Lebensmittelhandel, Hotels und Gaststätten können profitieren. Mehr als 1600 Anträge sind bei der Netzagentur bisher eingegangen. Die Rabatte oder vollständigen Befreiungen haben ein Volumen von mehr als 400 Millionen Euro jährlich - Geld, das auf die übrigen Stromkunden umgelegt wird.
Die Bundesnetzagentur will versuchen, den Preisauftrieb zu bremsen. Dazu heißt es in dem Papier: „Die Energiewende wird längerfristig nur dann politisch durchzuhalten sein, wenn sie zu vertretbaren Kosten umzusetzen ist. Hierzu ist eine durchschlagkräftige Regulierung mit Augenmaß erforderlich.“ So wird überlegt, die bisher üblichen Sonderentgelte für eine dezentrale Stromeinspeisung bei Windanlagen und Photovoltaik zu streichen. 2011 machten die immerhin eine Milliarde Euro aus.