Das Ende des billigen Geldes
Experten erwarten, dass die Europäische Zentralbank am Donnerstag erneut an der Zinsschraube drehen wird.
Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) dreht weiter an der Zinsschraube. Europas oberste Währungshüter werden nach übereinstimmender Meinung der Fachwelt am Donnerstag den Leitzins anheben — voraussichtlich von 1,25 auf 1,5 Prozent.
Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite: Firmen investieren mehr, Kunden kaufen mehr, was sie nicht sofort aus eigener Tasche bezahlen können oder wollen. Das kurbelt die Konjunktur an.
Billiges Geld kann in Boomzeiten zu Inflation, Immobilienblasen und zur Überhitzung der Wirtschaft führen. In Deutschland, wo die Wirtschaft brummt wie nirgendwo sonst im Euroraum, melden erste Branchen wegen großer Nachfrage bereits Lieferengpässe bei den Zulieferern. Das erhöht wiederum den Druck auf die Preise. Die Commerzbank befürchtet, bei anhaltend niedrigen Zinsen könnten Investoren Risiken unterschätzen.
Höhere Zinsen belasten Volkswirtschaften mit lahmender Konjunktur, aber auch alle Schuldner. Aktuell könnten höhere Zinsen vor allem die Wirtschaftserholung in Schuldenländern wie Griechenland zusätzlich bremsen, wo rigide Sparauflagen den Aufschwung ohnehin erschweren. Darauf kann und will die EZB aber keine Rücksicht nehmen. Aus Sicht der Währungshüter ist es Aufgabe der nationalen Regierungen, Defizite zu beseitigen und Schulden abzubauen.
In der Regel geben Finanzinstitute höhere Leitzinsen bei Krediten schnell an ihre Kunden weiter, teilweise preisen sie Zinsschritte nach oben schon vor der Entscheidung ein. Hypotheken orientieren sich hierzulande jedoch meist weniger am Leitzins als vielmehr an den langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung berichtet, dass dieses Niveau zuletzt sogar gefallen ist. Davon könnten Häuslebauer nun profitieren.
Zinsen für Kredite erhöhen Banken oft schneller als Sparzinsen. Zwar untersagte der Bundesgerichtshof den Instituten Willkür bei der Zinsgestaltung. Dennoch machen Verbraucherschützer die Erfahrung, dass eine Leitzins-Erhöhung von Banken nach wie vor verzögert weitergegeben wird, wenn es um Produkte zugunsten der Kunden geht. „Es funktioniert am besten da, wo der Kunde schnell wechseln kann: Bei Tagesgeld und Sparverträgen“, sagt Verbraucherschützer Frank-Christian Pauli. „Das ist die Macht des Marktes.“
Volkswirte rechnen zumindest mit einem dritten Zinsschritt nach oben noch in diesem Jahr. Als wahrscheinlich gilt eine weitere Erhöhung im Oktober — erneut um 0,25 Punkte auf dann 1,75 Prozent. Dafür spricht die relativ hohe Inflation. Experten halten zudem Zinsen unter 2,0 Prozent nur in Krisenzeiten für angemessen.