Entscheidung zu Schlecker-Transferlösung
Ehingen/Stuttgart (dpa) - Tag der Wahrheit für tausende Schlecker-Mitarbeiter: Die Entscheidung über die Finanzierung von Transfergesellschaften für rund 11 000 Beschäftigte soll an diesem Mittwoch fallen.
Ihnen droht ansonsten die Kündigung.
Bei der Finanzierung war eine Einigung unter allen Bundesländern angestrebt worden. Eine Übergangslösung schien am Dienstag zunächst nahe zu sein. Am Abend dann lehnte jedoch Niedersachsen als erstes Bundesland eine Beteiligung an der Schlecker-Transferlösung ab. Die Auswirkungen waren zunächst unklar.
In Stuttgart wollte sich das Wirtschaftsministerium am Abend nicht zu der Entscheidung aus Hannover äußern. Sachsen hat sich bisher skeptisch geäußert, das Kabinett will am Mittwoch in Dresden entscheiden. Alle anderen Länder haben grundsätzlich zugestimmt.
Die Länder müssen entscheiden, ob sie sich an einer Bürgschaft für einen KfW-Kredit über rund 70 Millionen Euro beteiligen. Mit dem Geld sollen sechs Monate lang 11 Auffang-Gesellschaften mitfinanziert werden. Dort sollen die Menschen weitergebildet und bei der Suche nach einem neuen Job unterstützt werden.
Der Finanz- und Wirtschaftsausschuss des Stuttgarter Landtags entscheidet am Mittwoch darüber, ob der Südwesten den KfW-Kredit für Schlecker ermöglicht. Konkret geht es darum, ob Baden-Württemberg mit einer Bürgschaft über rund 70 Millionen Euro in Vorleistung geht, um die Transfergesellschaften zu ermöglichen. Die grün-rote Landesregierung will allerdings, dass die anderen Bundesländer Rückbürgschaften zusagen, damit das Risiko auf mehreren Schultern lastet.
Baden-Württembergs Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) hatte sich am Dienstag optimistisch gezeigt, dass die Bundesländer sich an diesem Mittwoch über den Aufbau einer Transfergesellschaft einigen.
Das FDP-geführte Wirtschaftsministerium in Hannover nannte als Gründe für die Ablehnung der Hilfen Unzuverlässigkeit der Daten des Insolvenzverwalters und Zweifel am Fortführungskonzept. Dies wies ein Sprecher von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz zurück: „Bei den Daten gab es nicht die geringste Unzuverlässigkeit“, sagte er der dpa. Bei der Bewertung von Risikopositionen könne man immer zu leicht unterschiedlichen Auffassungen kommen, „doch bei den Daten war nichts intransparent oder unzuverlässig“.
Die Absage des Hannoveraner Wirtschaftsministeriums kam überraschend, denn noch am Nachmittag hatte Niedersachsen zwar weiter Bedenken geäußert, aber sich eine endgültige Entscheidung noch offen gelassen.
Schmid hatte am Dienstag zuvor gesagt, in einer Telefonschaltkonferenz seien die Wirtschaftsminister der anderen Länder aufgeschlossen gewesen. „Ich bin zuversichtlich, dass die konstruktive Zusammenarbeit zu einer Lösung führen wird.“
Laut Schmid gab es in der Konferenz Nachfragen zu einem Gutachten, in dem Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) die Aussichten für die insolvente Drogeriekette skeptisch sehen. Diese würden noch beantwortet.
Baden-Württemberg hatte angekündigt, womöglich in Vorleistung für die Bürgschaft zu gehen. Doch dazu sei man nur bereit, so SPD-Minister Schmid, wenn andere Länder diese mit Rückbürgschaften absichern. „Wir brauchen habhafte politische Zusagen.“ Schmid ging nicht davon aus, dass ein Land ausschert. „Alle Länder sind konstruktiv an Bord, beteiligen sich am Prozess und ich setze darauf, dass es zu solchen Zusagen kommt.“
Das am schwersten von Ladenschließungen betroffene Bundesland Nordrhein-Westfalen will helfen. NRW bürge mit rund 12,5 Millionen Euro für den KfW-Kredit, teilte Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) am Abend nach einer Kabinettssitzung mit.
Auch aus Bayern kam grünes Licht. Die dortige CSU/FDP-Staatsregierung erklärte sich grundsätzlich zu einer Bürgschaft für die insolvente Drogeriekette bereit - unter drei Bedingungen: ausreichende Sicherheiten, eine Beteiligung aller Bundesländer und eine überprüfbare Notwendigkeit des Betrages.
Auch Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und das Saarland signalisierten Zustimmung.
Der vorläufige Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz verwies auf das „handfeste Interesse“ mehrerer Investoren an der insolventen Drogeriekette. Dabei handle es sich nicht bloß um allgemeine Absichtserklärungen, sagte ein Sprecher.
Er reagierte damit auf das PwC-Gutachten, das auf das Risiko für einen Fortbestand von Schlecker als eigenständiger Kette verwiesen hatte. Namen und Details zu den möglichen Investoren verriet der Insolvenzverwalter nicht.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sieht Staatsbürgschaften der Länder für Schlecker skeptisch: „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Er kann und darf in einer Sozialen Marktwirtschaft Fehler von Unternehmen nur in wirklichen Ausnahmefällen korrigieren“, sagte Brüderle dem „Handelsblatt“ (Mittwoch).