EZB hält das Zinspulver trocken
Die Notenbank senkt den Ausleihsatz um einen Viertel-Punkt auf 1,25 Prozent.
Brüssel. Für Banken war es noch nie so billig, sich bei der Euro-Zentralbank Geld zu leihen. Die Währungsbehörde senkte am Donnerstag den maßgeblichen Leitzins um einen viertel Punkt auf nur noch 1,25 Prozent.
Das ist zwar etwas weniger stark als von Bankern und Börsianern erwartet - und bringt der Notenbank den Vorwurf der Halbherzigkeit ein. Andererseits lag der zentrale Ausleihsatz noch nie in der Euro-Geschichte so niedrig - und auch nicht bei deren Vorgängerwährungen Mark, Lira oder Franc seit dem zweiten Weltkrieg.
Mit dem erneuten Zinsschritt reagiert die Euro-Notenbank auf die anhaltenden Probleme der Wirtschaft, sich bei ihren Hausbanken Kredite für ihren Geschäftsbetrieb und für Investitionen zu verschaffen. Denn die Banken sind derzeit extrem risikoscheu und horten Kapital, weil es schwer ist, sich über den Geldmarkt mit flüssigen Mitteln zu versorgen. Wenn sie Kredite vergeben, dann meist mit hohen Risikoaufschlägen.
Mit der Zinssenkung auf 1,25 Prozent haben die Währungsmanager nun noch nicht alles Pulver verschossen - zumal sie signalisieren, den Leitzins - wenn nötig - noch weiter zu senken. Notenbankchef Jean-Claude Trichet und seine Kollegen deuten zugleich andere Möglichkeiten an, durch "unorthodoxe Maßnahmen" wie etwa den Kauf von Staats- oder Firmenanleihen noch mehr Geld in die Banken oder sogar direkt in die gewerbliche Wirtschaft zu pumpen. Am Donnerstag kündigte der Franzose an, darüber werde die Notenbank in einem Monat entscheiden.
Ein Patentrezept für Sparer ist nach der erneuten Leitzinssenkung schwer zu formulieren. "Den Tipp gibt es jetzt nicht. Der Anlagezeitraum sollte sich an meinen Bedürfnissen, meiner Bequemlichkeit und der Notwendigkeit der Verfügbarkeit des Geldes orientieren", sagte Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart.
Wer also Geld entbehren kann, legt es ruhig bei einem Top-Anbieter fest an. Wer schnell verfügen können will, bleibt beim Tagesgeldkonto, muss für gute Konditionen aber möglicherweise häufiger den Anbieter wechseln.
Die Entwicklungen der kommenden Monate seien nicht vorhersehbar. Das neue Rekordtief von 1,25 Prozent kann allerdings nicht mehr weit unterschritten werden. Eine Null-Zins-Politik wie sie derzeit beispielsweise die USA praktiziert, lehnt die EZB ab. Seit Oktober verringerte die EZB den Leitzins damit bereits um 3,0 Punkte.
"Die Notenbanken pumpen immer mehr Geld in den Markt. Dennoch gibt es noch keine Anzeichen für Inflation - im Gegenteil", sagte Nauhauser. Niedrigere Zinsen senken im Regelfall auch die Guthaben- und Kreditzinsen und bringen mehr Geld in Umlauf. Die EZB zielt damit auf ein Ankurbeln der Wirtschaft.
Das hat in den vergangenen Monaten dazu geführt, dass zum Beispiel der Durchschnittszins für dreimonatiges Festgeld mittlerweile deutlich unter 2,0 Prozent liegt. Nach Marktauswertungen der unabhängigen Finanzberatung FMH in Frankfurt liegt der Wert derzeit bei 1,86 Prozent. Für Tagesgeld bieten die Banken im Schnitt 2,22 Prozent.
Nauhauser wies darauf hin, dass der Realzins weiter positiv sei: "Unter dem Strich sind die Konditionen für Anleger sogar besser als noch vor einem Jahr. Denn die Inflationsrate liegt deutlich unter den angebotenen Sparzinsen." Das Verhältnis von Zinskonditionen und Inflationsrate sei damals für Anleger nachteiliger gewesen. Daher solle anlegen, wer anlegen will.