Frankreichs Rating in Gefahr

Paris/Berlin (dpa) - Vor dem EU-Gipfel verschärfen die reichen Euroländer den Ton: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Schutzwälle zur Eindämmung der Euro-Schuldenkrise gefordert. Staaten, denen Schulden erlassen werden könnten, müssten dann Einschränkungen ihrer Souveränität hinnehmen.

Sie könne sich vorstellen, dass es künftig eine Art „permanente Troika“ in Krisenländern geben könne, sagte die Kanzlerin nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag in Berlin. Zuvor betonte die niederländische Regierung laut „Welt“, dass bei dem Treffen am Wochenende viel strengere Regeln für die Eurozone erarbeitet werden müssten. Frankreich muss derweil um seine Top-Bonität kämpfen.

Die Bundesregierung hatte zuvor die Erwartungen an den Euro-Krisengipfel am Sonntag zu dämpfen versucht. Zu den bevorstehenden Entscheidungen hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag gesagt: „Das sind wichtige Arbeitsschritte auf einem langem Weg.“ Jetzt sagte Merkel, der Gipfel werde nicht der letzte, aber unter Umständen ein wichtiger Schritt zur Lösung der Schuldenkrise sein. Eine mögliche Umschuldung Griechenlands dürfe nicht zu einer Ansteckung in anderen Euro-Ländern führen. Die EU-Kommission mahnte ein umfassendes Gipfel-Paket an. Die Finanzmärkte blieben nervös.

Die Ratingagentur Moody's zweifelt an dem bisher stabilen guten Ausblick für die Kreditwürdigkeit der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft und stellte das Toprating (Aaa) Frankreichs auf den Prüfstand. Die Regierung müsse ernst mit wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Reformen machen.

In Paris musste Wirtschaftsminister François Baroin einräumen, dass die Wachstumsprognose für 2012 wahrscheinlich erneut gesenkt werden muss. Frankreich werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht um 1,75 Prozent steigern können. Es bestehe die Gefahr, dass das Wachstum unter 1,5 Prozent liegen werde. Das Land werde dennoch alles tun, um die Top-Kreditwürdigkeit zu behalten.

Daraufhin stiegen die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen: Im Vergleich zu den als besonders sicher geltenden deutschen Papieren muss Frankreich derzeit die höchste Risikoprämie seit Euro-Einführung zahlen. Die Aufschläge zu deutschen Anleihen stiegen erstmals auf mehr als 100 Basispunkte oder mehr als einen Prozentpunkt.

Die EU-Kommission besteht auf einem großen Notpaket. „Wir erwarten eine umfassende Antwort“, sagte eine Sprecherin. Ähnlich äußerten sich die Niederlande: „Wir sollten uns nicht irren: Die Märkte erwarten eine langfristige Lösung. Das Gesamtpaket muss daher eine weitreichende und unumkehrbare Einigung über eine künftige verstärkte Kontrolle der Eurozone beinhalten“, sagte Finanzminister Jan Kees de Jager der „Welt“ (Dienstag).

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso hatte in der vergangenen Woche einen Fünf-Punkte-Plan für den Gipfel vorgelegt. Dazu gehören die Rettung Griechenlands vor der Pleite, die Stärkung des Krisenfonds EFSF, die Absicherung der Banken oder die Verstärkung der wirtschafts- und finanzpolitischen Zusammenarbeit in der Eurozone. Mit Blick auf den EU-Gipfel will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) voraussichtlich am Freitag eine Regierungserklärung abgeben.

Die FDP pocht beim erweiterten Rettungsschirm EFSF auf eine starke Beteiligung des Bundestages. „Für uns ist unerlässlich, dass die Fiskalhoheit Deutschlands beim Bundestag liegt. Nirgendwo anders“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle mit Blick auf Forderungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach einer „Fiskalunion“ in Europa. Die Unionsfraktion soll am Donnerstag über Details des erweiterten Euro-Rettungsschirms EFSF informiert werden.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages soll nach Angaben aus der Union an diesem Freitag oder Samstag - und damit noch kurz vor dem Brüsseler Gipfel - über die sogenannten Leitlinien zur Ausgestaltung des EFSF-Fonds beraten.

Bei den EFSF-Regeln geht es auch darum, wie der Fonds möglichst effektiv genutzt werden kann, ohne dass sein Garantievolumen von 780 Milliarden Euro nochmals aufgestockt werden muss. So könnte über einen „Hebel“ das Hilfsvolumen vervielfacht werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, bei der Bankenrettung benötigten deutsche Geldhäuser staatliche Hilfen in überschaubarem Umfang: „Also alles kein Problem.“ „Es geht da ausschließlich um strategische Banken, nicht um Volksbanken, nicht um Sparkassen.“

An der Frankfurter Börse herrschte am Dienstag eine nervöse Stimmung: Der Dax geriet zunächst mehr eineinhalb Prozent ins Minus, ehe er ins Plus drehte und kurzzeitig 5900 Punkte übersprang. Zum Schluss lag er dann mit einem Aufschlag von 0,31 Prozent auf 5877,41 Punkte leicht im Plus.

Düstere Nachrichten hatte es zuvor von der Konjunktur gegeben: Finanzexperten schätzen die Aussichten so schlecht ein wie seit drei Jahren nicht. Als Grund gibt das ZEW die schwelende Staatsschuldenkrise an. Diese verunsicherte die europäischen Verbraucher zuletzt wieder stark. Vor allem die Diskussionen über eine Rettung Griechenlands sowie die verschärfte Schuldenkrise in Frankreich und Italien hätten im dritten Quartal dazu beigetragen, sagte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl. Eine positive Ausnahme sei allerdings Deutschland. Die Angaben beruhen auf einer repräsentativen Umfrage der GfK in 12 EU-Staaten.

Griechenland steht unterdessen vor einer noch größeren Streikwelle - als Protest gegen den Sparkurs. Die Fluglotsen wollen von diesem Mittwoch an zwei Tage lang streiken, der Luftraum steht vor der Schließung. Der Reiseveranstalter TUI und mehrere Airlines kündigten einen Ersatzflugplan an. Reisende könnten erst ab Freitag in den griechischen Feriengebieten landen.