G20: Notfalls neues Geld für Banken
Washington/Athen/Brüssel (dpa) - Im Kampf gegen eine dramatische Eskalation der Finanzkrise wollen die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer den Banken im Notfall mit ausreichend Geld zur Seite stehen.
„Wir unternehmen starke Aktionen, um die Finanzstabilität zu erhalten, Vertrauen wiederherzustellen und das Wachstum zu unterstützen“, erklärten die G20 am Freitag in Washington nach einem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs. Notwendig sei ein Aktionsplan, bei dem jeder seinen Anteil übernehme.
Weiterhin offen ist eine dauerhafte Lösung für die Griechenland-Krise. Während der Athener Finanzminister Evangelos Venizelos erstmals über eine harte Umschuldung des Euro-Sorgenkinds spekuliert haben soll, schließt der niederländische Notenbankchef Klaas Knot sogar eine Pleite Griechenlands nicht mehr aus.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutete wiederum Änderungen am zweiten Rettungspaket für die Hellenen an. Jetzt gehe es zwar zunächst um die sechste Hilfstranche für Athen aus dem laufenden Rettungsprogramm. Es müsse dann jedoch geprüft werden, ob das am 21. Juli von den Euro-Staats- und Regierungschefs geschnürte zweite Hilfspaket „im Lichte der neueren Entwicklung tragfähig ist oder nicht“, sagte Schäuble in Washington.
Schäuble mahnte Athen erneut, die Zusagen für die Finanzhilfen einzuhalten. „Die eingegangenen Verpflichtungen und Vereinbarungen müssen umgesetzt werden“, betonte der CDU-Politiker. Er warnte zugleich vor Debatten über weitergehende Maßnahmen. „Es macht gar keinen Sinn, über die nächsten Schritte zu spekulieren.“
„Wir in Europa sind auf einem grundsätzlich richtigen Weg, wir in Deutschland allemal“, sagte der Finanzminister. In der G20 sei die vereinbarte Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF begrüßt worden. Alle Euro-Länder wollten dies spätestens bis zur zweiten Oktoberwoche erreichen. Der Bundestag stimmt nächste Woche über die Ausweitung des EFSF ab. Eine Mehrheit gilt als sicher.
Bundesbank-Chef Jens Weidmann sagte: „Es gibt Risiken, dass die Turbulenzen an den Finanzmärkten auch langsam übergreifen auf die realwirtschaftliche Lage.“ Eine erneute Rezession sei aber unwahrscheinlich: „Die Lage ist derzeit deutlich besser als die Stimmung.“
Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 kamen vor der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Wochenende zu Beratungen in Washington zusammen. Zu den G20 gehören neben den wichtigsten westlichen Industrienationen auch aufstrebende Wirtschaftsmächte wie China, Indien und Brasilien.
Angesichts der Schuldenkrise in Europa und den USA gerieten zuletzt Banken auf beiden Seiten des Atlantiks immer stärker unter Druck. In Europa waren vor allem französische Banken, die in mehreren Krisenländern engagiert sind, sowie italienische und griechische Institute betroffen. Mit Blick auf die wachsenden Spannungen betonten die G20, dass sie alle notwendigen Maßnahmen unternehmen werden, „um die Stabilität des Bankensystems und der Finanzmärkte zu bewahren“. Die Länder stellten sicher, dass die Banken angemessen kapitalisiert sind. Die Notenbanken wiederum stünden weiterhin bereit, Liquidität zur Verfügung zu stellen.
Die EU-Kommission sieht indes keine Notwendigkeit für vorgezogene Finanzspritzen an Europas Banken. Ein Kommissionssprecher dementierte am Freitag in Brüssel Medienberichte, wonach Europas Bankenaufseher die beim letzten Bankenstresstest fast durchgefallenen Institute rascher mit frischem Geld versorgen wollen als bislang vorgesehen. „Der Fahrplan bleibt gültig, es gibt keine Beschleunigung des vorgesehenen Kalenders“, sagte der Sprecher.
Der Athener Finanzminister Venizelos hatte am Vortag vor Abgeordneten seiner Partei die verschiedenen Szenarien für Griechenland erörtert. Eins davon sei der Verbleib des Landes im Euroland mit einem Schuldenschnitt von 50 Prozent, berichteten griechische Medien. Venizelos' Büro reagierte darauf mit der Bemerkung: „Alle diese Diskussionen, die Gerüchte, die Kommentare und Szenarien lenken ab vom zentralen Ziel.“ Dies sei die Fortsetzung des Sparkurses.
Der niederländische Notenbankchef Knot sagte der Wirtschaftszeitung „Het Financieele Dagblad“, auch eine Staatspleite Athens sei „eines der Szenarien“. Knot ist Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB). „Ich sage nicht, dass Griechenland nicht bankrott gehen kann“, zitierte das Blatt Knot. Die offizielle Linie europäischer Entscheidungsträger lautete bislang, dass eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands nicht zur Debatte stehe.
An den Börsen ging eine miese Handelswoche - der Dax und der EuroStoxx 50 verloren insgesamt mehr als sechs Prozent - glimpflich zu Ende: Der deutsche Leitindex fuhr ein kleines Plus von 0,63 Prozent auf 5196,56 Punkte ein, nachdem er im Handelsverlauf zeitweise noch unter die Marke von 5000 Punkten gesackt war. Dass es im späten Handel mit den Kursen nach oben ging, führte ein Börsianer auf Gerüchte um ein neues Rettungsprogramm für die französischen Banken zurück. Ungeachtet dessen beschrieben Marktteilnehmer die Grundstimmung weiter als nervös.