Industriestaaten stützen Japan in der Krise

Tokio (dpa) - Die führenden sieben Industriestaaten (G7) sind Japans Wirtschaft in der Not zu Hilfe geeilt. Erstmals seit mehr als zehn Jahren haben sich die Wirtschaftsnationen auf ein gemeinsames Vorgehen zur Währungsstützung geeinigt.

Ihr Einschreiten stoppte am Freitag den Höhenflug des Yen. Die japanische Währung war zuvor gegenüber dem US-Dollar auf den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg gestiegen, obwohl die Wirtschaft des Landes am Boden liegt. Der Yen-Rekord verteuert die Produkte in wichtigen Märkten und setzt Japans Exportwirtschaft noch mehr unter Druck. Die großen Autohersteller, allen voran Toyota, müssen ihre Autofabriken aufgrund der Schäden und Stromausfälle derweil weiter geschlossen halten.

Die G7-Finanzminister und Notenbankpräsidenten hatten in der Nacht zum Freitag in einer Telefonkonferenz beschlossen, gemeinsam gegen den starken Anstieg des Yen vorzugehen. Japan, die USA, Großbritannien, Kanada und die Europäische Zentralbank (EZB) sagten zu, mit koordinierten Verkäufen der japanischen Währung und Ankäufen des Dollar einzugreifen. Der Yen verlor daraufhin am Freitag deutlich an Boden, Dollar und Euro verteuerten sich zugleich im Verhältnis zum Yen. Zuletzt mussten für einen Dollar mehr als 81 Yen bezahlt werden. Am Vortag waren es zeitweise lediglich 76,25 Yen gewesen - so wenig wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte.

In einer gemeinsamen Mitteilung bekundeten die Finanzminister und Notenbankchefs ihre „Solidarität mit dem japanischen Volk in diesen schwierigen Zeiten“ und bekräftigten, Japan in der Krise beizustehen. Die Teilnehmer hätten „ein aufeinander abgestimmtes Eingreifen in die Devisenmärkte“ beschlossen. Seit dem Jahr 2000 haben die G7-Staaten nicht mehr gemeinsam am Devisenmarkt interveniert. Selbst als der Euro in der Schuldenkrise im vergangenen Jahr schwer unter Druck geriet, konnten sie sich nicht dazu durchringen.

Der Schulterschluss der Notenbanken sei an den Märkten als starkes und wirksames Signal angekommen, erklärten Analysten. Auch die Aktienmärkte in Tokio, in New York, London und Frankfurt reagierten mit einer Kurserholung, zumal die Lage am havarierten Atomkraftwerk Fukushima nicht mehr so hoffnungslos schien und der UN-Beschluss zum Flugverbot einen Waffenstillstand in Libyen erzwang.

Die japanische Börse verbuchte am Freitag Kursgewinne, verlor auf Wochensicht aber mehr als 10 Prozent. Die Folgen der Panikverkäufe aus Furcht vor einem Atom-GAU sind noch nicht überwunden. Am kommenden Montag wird die Tokioter Börse wegen eines Feiertages geschlossen bleiben, was Anlegern nach den vergangenen turbulenten Tagen eine kurze Verschnaufpause verschafft.

Der japanische Finanzminister Yoshihiko Noda hatte Spekulanten für die starke Aufwertung des Yen verantwortlich gemacht. Devisenexperten führten die Aufwertung dagegen hauptsächlich darauf zurück, dass japanische Investoren dringend Geld brauchen, um die Schäden aus der Natur- und Nuklearkatastrophe zu beheben. Vor allem Versicherer und andere große Investoren hätten Milliarden-Anlagensummen aus dem Ausland zurückgeholt und in Yen getauscht. Deshalb sei die Nachfrage nach dem Yen und damit sein Kurs so enorm gestiegen.

Die Entwicklung hat japanische Produkte, die im Dollar-Raum verkauft werden, deutlich verteuert. Auch Unternehmen, die wie der Autohersteller Toyota in den USA und anderen großen Märkten produzieren, leiden unter dieser Entwicklung. Sie erhalten deutlich weniger Yen für in den USA verkaufte Autos.

Das Jahrhundertbeben trifft in Japan besonders die wichtige Autoindustrie und hat auch für die großen Konkurrenten Konsequenzen. Nach Branchenprimus Toyota erklärte auch Honda, wegen der Katastrophe seine Endmontagewerke frühestens Mitte der kommenden Woche wieder zu öffnen. Daimler lässt seine Lastwagenproduktion in Japan bis mindestens Dienstag ruhen. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt eine Entscheidung von General Motors: Der US-Autobauer hält eine komplette Pick-up-Fabrik im heimischen Louisiana für eine ganze Woche an - es fehlen wichtige Teile aus Japan.

Die japanische Notenbank hat unterdessen auch am Freitag den Banken Geldspritzen in Milliardenhöhe bereitgestellt, um das Finanzsystem zu stabilisieren. Die Summe der kurzfristigen Notfallmaßnahmen summiert sich mittlerweile auf rund 37 Billionen Yen (322 Mrd Euro).