Insolvenzantrag: Die Pleite von Arcandor und ihre Folgen für die Tochterunternehmen
Karstadt hat vergeblich um seine Rettung gekämpft. Eigentümer, Banken und Vermieter wollten nicht helfen. Der Bund auch nicht.
Berlin. Alle Demonstrationen, Mahnwachen, die Unterschriften von mehr als einer Million Kunden haben am Ende nichts genützt: 128 Jahre nach seiner Gründung ist das Traditionshaus Karstadt pleite. Da nicht einmal die Eigentümer, die Banken und die Vermieter der Kaufhauskette eine reelle Chance einräumen wollten, mochte auch die Bundesregierung nicht in die Bresche springen - sie weiß sich damit im Einklang mit den meisten Deutschen.
Zu augenfällig war, dass Karstadt auch schon vor der Finanzkrise tief in Schwierigkeiten steckte. 100 Tage lang hat Konzernchef Karl-Gerhard Eick verbissen gekämpft. Schon bei der Übernahme des Amtes Anfang März war ihm die "schwere Lage" des Handelskonzerns bewusst.
Doch die Zeit, sich Gedanken über die Wünsche der Kunden zu machen, hatte er nicht. Schon im April machte der frühere Telekom-Finanzvorstand öffentlich klar, dass Arcandor Geld braucht - und zwar gleich mehrere hundert Millionen Euro. An seinem 101. Tag bei Arcandor musste Eick dann Insolvenz anmelden. Dass Arcandor von den Eigentümern, seinen Gläubigerbanken und den Vermietern, an die Eicks Vorgänger Thomas Middelhoff zur Aufhellung der Bilanzen die Karstadt-Gebäude verkauft hatte, nicht viel zu erwarten hatte, muss schon von Beginn an klar gewesen sein. Schnell beantragte Eick Staatshilfe.
Doch bei der Union und - nach anfänglicher Sympathie - auch bei der SPD biss Arcandor damit auf Granit. Immer wieder mahnten Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dann auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) eine Vorleistung der Eigentümer und Gläubiger an.
Die Privatbank Sal. Oppenheim, die schwerreiche Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und die Gläubigerbanken aber mochten sich nicht in die Pflicht nehmen lassen. Die Banken waren selbst dann nicht zu einem Kredit bereit, wenn der Staat diesen zu hundert Prozent abgesichert hätte, hieß es vorwurfsvoll aus Regierungskreisen.
Hinzu kam: Anders als im Fall Opel bot sich bei Arcandor die von der Politik so gewünschte "privatwirtschaftliche Lösung" an: Metro-Chef Eckhard Cordes schlug die schon lange diskutierte Fusion der Karstadt-Filialen mit denen seiner Kaufhaus-Tochter Kaufhof vor. 60 Karstadt-Häuser und damit die Beschäftigten dort will Metro übernehmen - die Frage ist nur, für wie lange.
VERWALTER Das neue Recht gewährt dem Insolvenzverwalter Sonderrechte, um ein Unternehmen zu sanieren.
INSOLVENZGELD Für bis zu drei Monate übernimmt dieBundesagentur für Arbeit die Löhne der Mitarbeiter. Im Fall Arcandorführt dies zu einem staatlichen Zuschuss in Milliardenhöhe.
ARBEITSPLÄTZE Der Kündigungsschutz ist auf maximal dreiMonate begrenzt. In der Insolvenz können Firmen daher einfacher ihreBelegschaft abbauen.
GLÄUBIGER Das Insolvenzrecht schützt die Substanz und denweiteren Betrieb des Unternehmens. Denn zieht z.B ein Leasinggeber denFuhrpark ab, wäre das Unternehmen am Ende. In der Insolvenz ist einsolcher Zugriff der Altgläubiger ausgeschlossen. Neue Lieferanten habenVorrang vor den Altgläubigern und können sicher sein, dass sie in derInsolvenz gelieferte Ware bezahlt bekommen.
VERTRÄGE Mit einer einseitigen Erklärung desInsolvenzverwalters kann sich das Unternehmen aus kostenträchtigenVerträgen lösen, beispielsweise aus Leasing- oder Lieferverträgen, diedauerhafte Verluste einbringen.