IWF: Bankenrisiken enorm gestiegen

Washington/Athen (dpa) - Die Belastungen für die europäischen Banken durch die Euro-Schuldenkrise werden immer größer. Die Risiken in den Bankbilanzen in der EU sind nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds bereits auf 300 Milliarden Euro gestiegen.

200 Milliarden davon rührten direkt von Anleihen der Euro-Schuldenkrisen-Staaten, heißt es im jüngsten IWF-Bericht zur Stabilität des Weltfinanzsystems, der am Mittwoch in Washington vorgelegt wurde. Etwa 100 Milliarden Euro kämen noch einmal durch Finanzverbindungen zwischen den Banken selbst hinzu. IWF-Chefin Christine Lagarde war erst kürzlich mit ihrer Forderung, Europas Banken bräuchten dringend finanzielle Unterstützung auf heftige Kritik in der EU gestoßen.

Mit dem Mut der Verzweiflung will die griechische Regierung ein weiteres hartes Sparpaket durchsetzen, um endlich die dringend benötigten Milliarden-Hilfe von EU und IWF zu ergattern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft angesichts der dramatischen Lage am 27. September ihren griechischen Amtskollegen Giorgos Papandreou.

Für Athen gibt es neue Hoffnung auf die Hilfsgelder Die „Troika“ - Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalem Währungsfonds (IWF) - wird Anfang kommender Woche wieder nach Athen zurückkehren. Bei telefonischen Beratungen der Experten seien „gute Fortschritte“ gemacht worden, hatte die EU-Kommission am Vorabend mitgeteilt.

Gut eine Woche vor der Bundestagsabstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm ist ein Erfolg der schwarz-gelben Koalition weiter fraglich. Die Mehrheit von Union und FDP sei aber ohnehin nicht zwingend erforderlich, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der „Berliner Zeitung“ (Mittwoch). Davon hänge der Fortbestand der Regierung nicht ab.

Einen heftigen Schlagabtausch über den Ausweg aus der Krise lieferten sich die Fraktionen im Bundestag. Eine Pleite Griechenlands ist nach Einschätzung der Linke-Abgeordneten Sahra Wagenknecht nur noch eine Frage der Zeit. Die Frage sei nicht, ob Griechenland zahlungsunfähig werde, sondern wann. „Das ist die 100-Milliarden-Euro-Frage“, sagte sie. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU) sprach von „vulgär-marxistischen Analysen“. Der gesamten Opposition warf er „Klamauk“ vor. SPD-Fraktionsvize Jochim Poß sagte, Merkels Machtverfall trete offen zu Tage und ihr Vize-Kanzler Philipp Rösler (FDP) solle sich nach der internationalen Verunsicherung durch seine Idee der geordneten Insolvenz für Griechenland fragen, ob er sein Amt aufgebe.

Laut dem IWF-Bericht haben einige Banken in Europa bereits den Zugang zu privaten Kapitalquellen verloren. Dadurch erhöhe sich das Risiko neuer Kreditengpässe. Um gegenzusteuern, müsse die Politik „glaubhafte Strategien“ zum Schuldenabbau vorlegen und die Belastbarkeit der Banken erhöhen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte am Mittwoch an, sie werde eine Bank in der Eurozone für eine Woche mit einer halben Milliarde US-Dollar refinanzieren. Die Nachfrage ist ein Anzeichen dafür, dass Banken der Eurozone Probleme haben, sich Geld bei US-Banken zu leihen. Es wurde nicht veröffentlicht, welche Bank nach Geld gefragt hat.

In Griechenland zittern die Menschen vor noch härteren Spar- und Kürzungsschritten ihrer verzweifelt kämpfenden Regierung. Ministerpräsident Giorgos Papandreou eröffnete am frühen Mittwochnachmittag eine Sondersitzung des Kabinetts. Nach Medieninformationen will er seinen Ministern die Eckpunkte eines weiteren Sparprogramms ankündigen.

Finanzminister Evangelos Venizelos warnte im Parlament eindringlich vor einem Zusammenbruch des Landes. Die Gefahr sei groß, „dass die Ökonomie des Landes einfach aufhört zu existieren“. Am Dienstagabend war ein Durchbruch bei den telefonischen Verhandlungen der „Troika“ aus EU-Kommission, IWF und EZB mit dem griechischen Finanzminister gelungen. Die Expertengruppe der Geldgeber will nun nächste Woche nach Athen reisen. Ein positiver Bericht der „Troika“ zur Budgetsanierung ist Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro, sonst droht die Staatspleite.

Griechische Zeitungen stellten ihre Leser auf das Schlimmste ein: Die Maßnahmen würden sich „katastrophal“ auf den Lebensstandard des „kleinen Mannes“ auswirken, hieß es. „Radikale Kürzungen von Renten, Senkung der Steuerfreibeträge und Entlassungen“ prophezeite die regierungsnahe Athener Zeitung „Ta Nea“. 100 000 bis 150 000 Entlassungen werden in Griechenland befürchtet.

Die EU-Kommission will Griechenland jetzt beim Ausgeben von bisher ungenutzten EU-Geldern in Höhe von 15 Milliarden Euro helfen. Dies teilte der für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn nach Gesprächen mit griechischen Ministern und Gouverneuren der Regionen mit. Beide Seiten verständigten sich auf eine Liste von rund 100 Projekten, die noch vor Ende dieses Jahres in Angriff genommen werden sollten. Zudem versprachen die Griechen, innerhalb von zehn Tagen eine Liste mit weiteren großen Projekten vorzulegen, die bis Ende 2013 noch begonnen oder gar abgeschlossen werden sollten. Dabei handelt es sich um Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr, Energie, Umwelt, Kultur, Tourismus und Klein- und Mittelbetriebe.