Kreise: Börsenfusion kostet mindestens 450 Millionen

Frankfurt/New York (dpa) - Die Fusion von Deutscher Börse und NYSE Euronext kostet nach dpa-Informationen aus Aufsichtsratskreisen mindestens 450 Millionen Euro. „Das ist die Untergrenze“, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Frankfurt am Mittwoch.

Am Finanzplatz Frankfurt wächst die Sorge, dass trotz aller gegenteiligen Beteuerungen letztlich doch die traditionsreiche New Yorker Wall Street den Ton angeben wird.

Die Wettbewerbshüter aus Brüssel pochten vorsorglich auf ihr Kontrollrecht. „Die Hochzeit kann nicht erfolgen, bevor sie unseren Segen bekommen hat“, sagte die Sprecherin von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Mittwoch. „Wir warten darauf, dass die Unternehmen ihr Vorhaben in Brüssel anmelden.“ Danach habe die EU-Kommission 25 Arbeitstage Zeit zur Entscheidung.

Johannes Witt, stellvertretender Betriebsratsvorsitzende der Deutschen Börse AG, zeigte sich überzeugt: „Dieser Zusammenschluss geht zulasten der Mitarbeiter.“ Witt, der auch im Aufsichtsrat des Dax-Konzerns sitzt, sagte der dpa: „Vor allem die Mitarbeiter in der IT in Frankfurt und Luxemburg sind gefährdet.“ Die Sparte soll künftig von Paris aus geführt werden. Für den Bereich arbeiten etwa 1000 Mitarbeiter der Deutschen Börse in Frankfurt und Luxemburg.

Die Kontrollgremien der Konzerne in Frankfurt und New York hatten am Dienstag den Weg für den Zusammenschluss freigemacht. Nach dpa-Informationen gab es bei der Deutschen Börse dabei Gegenstimmen aus dem Arbeitnehmerlager. Mit einem gemeinsamen Umsatz von 4,1 Milliarden Euro und einem Kapitalwert von 26 Milliarden Dollar entsteht die weltweit größte Börsenorganisation, führend unter anderem im Derivatehandel.

Die Aktionäre der nach Börsenwert gewichtigeren Frankfurter Börse werden 60 Prozent am neuen gemeinsamen Unternehmen halten, das seinen rechtlichen Sitz in den Niederlanden findet. Die Zentralen sollen dabei in Frankfurt und New York bleiben. Das Mammutprojekt soll bis Ende 2011 abgeschlossen sein.

Bei Börsianern kamen die Pläne nicht nur gut an: Die Aktien der Deutschen Börse zählten am Mittwoch zu den schwächsten Werten im Dax. Ein Grund dafür auch: Der Frankfurter Marktbetreiber rutschte im vierten Quartal 2010 operativ in die Verlustzone und ächzte unter Millionenabschreibungen im Zusammenhang mit der 2007 teuer gekauften US-Optionsbörse ISE.

Die Fusion mit der New York Stock Exchange (NYSE Euronext) schaffe zu viele Unsicherheiten, auch wenn der Schritt langfristig sinnvoll sei, befanden Analysten. Analyst Martin Peter von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) vermisst einen genauen Fahrplan. Händler Andreas Lipkow vom Wertpapierhandelshaus MWB Fairtrade mahnte, die Deutsche Börse müsse aufpassen, dass sie in dem neuen Konzern nicht an Bedeutung verlieren.

Am Dienstag hatten die Chefs von Deutscher Börse und der NYSE Euronext, Reto Francioni und Duncan Niederauer, in einer gemeinsamen Pressekonferenz versichert, es handele sich um eine Fusion gleichwertiger Partner. „Es ist ein Zusammenschluss und keine Übernahme“, hatte Niederauer betont. Niederauer soll Chef (CEO) der neuen Börse werden, Francioni ihren Verwaltungsrat führen.

„Das beschworene Gleichgewicht zwischen den beiden Unternehmen wird nicht lange Bestand haben“, sagte Aufsichtsrat Witt. „Am Ende wird einer das Übergewicht haben - und die Befürchtung ist, dass das doch New York sein wird: Der CEO steuert das operative Geschäft, die Aktionärsstruktur ist schon jetzt sehr angloamerikanisch.“