Politische Unruhen treiben Ölpreise
Frankfurt/Main (dpa) - Die Öl- und Benzinpreise kennen wegen der politischen Unruhen in Libyen und anderen arabischen Ländern derzeit nur eine Richtung: nach oben.
Allen voran bereiten die bürgerkriegsähnlichen Zustände im ölreichen Wüstenstaat des umstrittenen Machthabers Muammar al-Gaddafi Händlern und Experten Kopfzerbrechen. In Deutschland kostet der Liter Superbenzin aktuell im Durchschnitt 1,501 Euro, wie der ADAC am Mittwoch in München mitteilte.
Im Vergleich zur Vorwoche bedeute dies ein Plus von 2,8 Cent. Der Dieselpreis kletterte um 0,5 Cent auf 1,379 Euro. Im Januar war der Preis für einen Liter Superbenzin nach Angaben eines ADAC-Sprechers bereits auf über 1,51 Euro gestiegen. Dies war damals der höchste Stand seit Sommer 2008, als der Spritpreis mit 1,58 Euro ein Allzeithoch erreicht hatte.
Der jetzige Anstieg ist nach Ansicht des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) allerdings nicht gerechtfertigt - und kommt vor allem den Ölkonzernen zugute. „Bisher ist eigentlich nichts passiert, was die Ölförderung angeht. Die Lager sind sehr gut gefüllt“, sagte Gerd Lottsiepen, beim VCD für Verkehrspolitik zuständig, der Nachrichtenagentur dpa. Problematisch werde die Lage erst, wenn Unruhen wie in Libyen auf andere wichtige Erdölländer übergriffen.
„Die Konzerne machen das, was sie immer getan haben: Sie nutzen jede Gelegenheit, um mehr Geld zu verdienen“, kritisierte Lottsiepen und fügte hinzu: „Was da mitgenommen wird, ist ein Sonderprofit wegen der Nervosität.“
Internationale Öl- und Gaskonzerne hatten wegen der Unruhen ihre Förderung in Libyen zumindest zeitweise eingestellt und Mitarbeiter aus dem Krisenland abgezogen, darunter auch die Öl- und Gastochter des Ludwigshafener Chemiekonzerns BASF Wintershall. Ein Sprecher bestätigte, „dass die Öl- und Gasproduktion in Libyen aus Sicherheitsgründen vorübergehend eingestellt wurde“.
Seit den ersten Unruhen in der arabischen Welt in Tunesien und Ägypten hat sich Öl in Europa um mehr als zehn Prozent verteuert. Verschärft wurde die Lage zuletzt durch die blutigen Proteste in Libyen. Derzeit kostet ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent rund 110 Dollar. Mitte Januar lag der Preis noch bei 95 Dollar, Mitte 2010 gar bei 75 Dollar. US-Rohöl der Marke WTI war zuletzt weniger vom Preisanstieg betroffen, hat aber ebenfalls stark auf knapp 98 Dollar zugelegt. Damit kostet Rohöl derzeit so viel wie zuletzt vor zweieinhalb Jahren.
Der Preis für Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) stieg ebenfalls weiter kräftig an. Nach Berechnungen des Opec-Sekretariats vom Mittwoch kostete ein Barrel am Dienstag im Durchschnitt 104,01 Dollar. Das waren 3,42 Dollar mehr als tags zuvor.
Die Verbraucher bekommen den Preisanstieg in erster Linie an der Zapfsäule zu spüren. Ein Nebeneffekt: Höhere Öl- und Benzinpreise treiben auch die gesamtwirtschaftliche Teuerung in die Höhe. Aus diesem Grund mehren sich inzwischen die Stimmen aus den Reihen der Europäischen Zentralbank (EZB), die vor einer anhaltend hohen Teuerung warnen.
Hohe Ölpreise beeinflussen aber nicht nur die allgemeine Teuerung und belasten so die Geldbörse der Verbraucher. In hochentwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland stellen hohe Öl- und Rohstoffpreise auch eine Belastung für die Unternehmen dar und können damit das Wirtschaftswachstum dämpfen. Gleichwohl sehen Ökonomen derzeit noch keine allzu große Belastung für die auf Hochtouren laufende Konjunktur Deutschlands.
Die Postbank etwa beziffert den dämpfenden Effekt der hohen Rohstoffpreise auf rund 0,2 Prozentpunkte des Wachstums. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr war Deutschland um starke 3,6 Prozent gewachsen. Zudem sieht das Bonner Bankhaus gar die Chance, dass Deutschland von hohen Öl- und Rohstoffpreisen profitieren kann. So könnten höhere Gewinne in ölreichen Ländern dazu führen, dass diese ihre Nachfrage nach hochwertigen Investitionsgütern „Made in Germany“ ausweiten.
Entscheidend für die weitere Entwicklung der Ölpreise dürften vor allem politische Faktoren sein. Als schlimmstes Szenario gilt an den Märkten eine Ausweitung der libyschen Unruhen auf weitere Ölschwergewichte wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Kuwait. Experten halten diesen „worst case“ zwar für unwahrscheinlich. Sollte sich aber die politische Lage auch in anderen arabischen Ländern verschärfen, könnte wohl niemand mehr mit Gewissheit sagen, was mit dem Ölpreis passiert. Gleichwohl: Von seinem Rekordhoch bei rund 150 Dollar, das Mitte 2008 in der Finanzkrise erreicht wurde, ist der Ölpreis derzeit noch meilenweit entfernt.