Rückwurf verboten: EU beschließt Fischerei-Reform
Brüssel/Hamburg (dpa) - Kurswechsel in der europäischen Fischereipolitik: Mit einer weitreichenden Reform will die EU bedrohte Fischbestände besser schützen. Im Zentrum steht ein Verbot, versehentlich gefangene Fische zurück ins Meer zu werfen.
Denn diese sind oft verletzt oder tot, wenn sie wieder im Wasser landen. Es gibt aber Ausnahmen beim Rückwurf: Ein Teil des Fangs darf auch künftig im Wasser landen. Und genau daran entzündet sich scharfe Kritik.
Die in der Nacht zum Mittwoch gefundene Einigung werde „die Art, wie Europa Fisch fängt, verändern“, sagte der Verhandlungsleiter, Irlands Fischereiminister Simon Coveney. Die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte: „Es ist bis zum Schluss auf Messers Schneide gestanden, ob es überhaupt eine Einigung gegeben hat.“ Sie fügte hinzu: „Und dass es jetzt doch ein so eindeutiges Votum gegeben hat, freut mich sehr.“ Nur Schweden sprach sich gegen den Kompromiss aus.
Widerspruch zum Kompromiss kam aus dem Europaparlament, das der Reform zustimmen muss. Verhandlungsführerin Ulrike Rodust (SPD) kritisierte ihn als Rückschlag für die ehrgeizigen Ziele des Parlaments. „Mir fehlt die Phantasie dazu, das noch als Rückwurfverbot bezeichnen zu können“, beklagte sie.
Sie bemängelte, dass das Verbot nicht lückenlos gilt. Denn die Einigung der Minister sieht vor, den Anteil der Rückwürfe über mehrere Jahre auf sieben Prozent zu senken. Zudem wird die Regel in den unterschiedlichen europäischen Gewässern erst schrittweise eingeführt.
Tierschützer schlugen in die gleiche Kerbe. „Anstatt sich eindeutig für eine Kehrtwende in der Rückwurfpraxis auszusprechen, wollen die Fischereiminister Schlupflöcher ins Gesetz einbauen, die eine Fortführung der Verschwendung ermöglichen“, erklärte die WWF-Expertin Anna Holl. Es sei völlig unklar, wie die Grenze von sieben Prozent kontrolliert werden solle.
Teile der deutschen Fischbranche begrüßten das Ergebnis im Grundsatz. Durch das Rückwurfverbot stehe die tatsächliche Fangmenge künftig genau fest, sagte der Geschäftsführer des Fisch-Informationszentrums, Matthias Keller.
Der Deutsche Fischerei-Verband reagierte zurückhaltend. „Ob die Reform Sinn oder Unsinn macht, wird erst die Detailausgestaltung entscheiden“, sagte Generalsekretär Peter Breckling der dpa in Hamburg. Fraglich sei, was etwa ein Dorschfischer auf Rügen an Land mit dem Beifang mache. Er warnte davor, kostenträchtige Sortierprozesse einzuführen. „Dann werden einige Betriebe sagen: "Das machen wir nicht mehr mit".“
EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki will den Fischern helfen, sich auf die „ganz neue Realität“ einzustellen. Im April wolle sie über Möglichkeiten beraten, den Fischern mit EU-Geldern bei den nötigen Investitionen zu helfen. Dabei kann es zum Beispiel um neue Netze für gezielteren Fischfang gehen. Was ausgeklügeltere Fangtechniken angeht, fehle es in Deutschland an Forschungskapazität, monierte der Landesverband der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern.
Zu der Reform gehört auch die Festlegung auf nachhaltige Fischquoten. Fischer sollen künftig nur noch so viele Tiere fangen, wie nachwachsen. Auf diesen Grundsatz hatten sich die Minister schon im Vorjahr verständigt.
Damals hatten sie im Grundsatz auch schon das Rückwurfverbot beschlossen, aber umstrittene Detailfragen zum Zeitplan und zu Ausnahmeregelungen vertagt. „Es hätte noch ambitionierter sein können“, sagte Aigner nach dem Verhandlungsmarathon. Die großen Fischereinationen Frankreich und Spanien drängten dagegen auf höhere Bagatellgrenzen für den Rückwurf.
Die Verhandlungen zwischen EU-Staaten und Europaparlament sollen in der zweiten Märzhälfte beginnen. Irland will die Reform bis Ende Juni unter Dach und Fach bringen.