Rürup: „So etwas haben wir noch nie erlebt“

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Professor Bert Rürup, wurde vom Ausmaß der Finanzkrise so kalt erwischt wie die Politik. Inzwischen ist er etwas gelassener.

Düsseldorf. Herr Prof. Rürup, wie bewerten Sie das Milliarden-Paket der Bundesregierung?

Rürup: Das international abgestimmte Paket der Bundesregierung ist aus mehreren Gründen zu begrüßen. Der Einsatz ist umfassend genug, um das Risiko einer systemischen Krise deutlich zu reduzieren. Allerdings wird die Krise in den Bankbilanzen noch mehrere Jahre tiefe Spuren hinterlassen.

Rürup: Eine staatliche Beteiligung muss die Ausnahme bleiben, ist aber in dieser Situation durchaus angemessen, ja alternativlos.

Rürup: Ein ausgeglichener Haushalt ist kein Selbstzweck. Das ist für mich auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abkühlung derzeit das kleinere Problem.

Rürup: Eine solche Krise haben wir bislang noch nie erlebt. Es gab dafür weder für die Politik noch für die Wissenschaft Blaupausen oder Masterpläne. Erst in den vergangen Tagen wurde ein in sich stimmiges Maßnahmenpaket entwickelt. Das ist aber auch verständlich: Wenn ein Schiff unterzugehen droht, muss man als erstes sehen, dass alle in die Rettungsboote kommen. Erst dann kann man überlegen, ob es für die Passagiere auch noch am dritten Tag warme Kost gibt.

Rürup: Es wurde vielleicht unbeabsichtigt eine gewisse Hysterie geschürt. Zwar wollte niemand eine Panik herbeireden, aber indem sich viele Fernsehsendungen und viele Artikel mit der Frage beschäftigten, wie sicher das Geld der Bürger ist, wurden Unruhe und Angst in der Bevölkerung eher geschürt als gedämpft.

Rürup: Wir sind in einem wirtschaftlichen Abschwung. Der wurde aber nicht von der Finanzmarktkrise ausgelöst, sondern wird von ihr verstärkt. Was wir jetzt brauchen, ist neues Vertrauen insbesondere zwischen den Banken. Deshalb sind die Bürgschaften des Bundes so außerordentlich wichtig.

Rürup: Die Bürger sind glücklicherweise besonnen geblieben. Es gab zwar Umschichtungen zugunsten der Sparkassen und Volksbanken. Aber dass die Menschen massiv Geld von den Banken abhoben oder Lebensversicherungen und Altersvorsorgepläne kündigten, ist zum Glück nicht passiert. In diesem Fall wäre die Situation kaum zu beherrschen gewesen. Also: Die Sparer sind zu loben!

Rürup: Bislang läuft der Arbeitsmarkt noch gut. In den vergangenen Jahren wurde die Sockelarbeitslosigkeit abgebaut. Das kommt uns jetzt zugute.

Rürup: Das denke ich schon. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist heute deutlich besser gegen einen Abschwung aufgestellt als 2001.

Rürup: Die Wissenschaft hat gelernt, dass die Finanzmärkte einen robusteren und in einigen Bereichen auch strengeren Regulierungsrahmen benötigen als wir ihn hatten. Das hat nichts mit dem Ende des Kapitalismus oder der marktwirtschaftlichen Ordnung zu tun. Das wäre völliger Unsinn. Eine Marktwirtschaft ist so gut wie die Regeln, innerhalb derer sie sich bewegt. Und hier hatten wir Regelungs- und Kontrollversäumnisse.

Rürup: Viele Experten, auch aus der Wissenschaft, haben in den vergangenen Jahren immer wieder auf Regulierungsdefizite hingewiesen. Vom Ausmaß der Krise waren aber sicherlich alle überrascht. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Auch eine stehengebliebene Uhr hat zwei Mal am Tag recht, wenn sie zufällig die korrekte Zeit anzeigt.