Schiffbauindustrie vor Herausforderungen
Hamburg (dpa) - Trotz der tiefen Branchenkrise in der Schifffahrt erleben die Werften weltweit eine Auftragswelle.
Im vergangenen Jahr wurden Schiffe mit einer Tragfähigkeit von knapp 170 Millionen Tonnen (dwt - deadweight tonnage) bestellt, teilte das Institut Clarkson Research am Montag zum Auftakt der Schiffbaumesse SMM (9.-12.9.) in Hamburg mit. Das ist das dritthöchste Ordervolumen aller Zeiten.
„Die Lage am Markt bleibt trotzdem schwierig und schwankt stark“, sagte Clarkson-Direktor Prof. Martin Stopford. Die Frachterlöse der Reeder liegen nur halb so hoch wie vor der Krise, die seit sechs Jahren andauert. Es bleibe wenig Kapital für Investitionen und Rücklagen.
Für die vielen Bestellungen trotz geringer Einnahmen der Reedereien hat Stopford vor allem zwei Erklärungen: Die Reedereien brauchen sparsamere Schiffe, weil die Treibstoffkosten explodiert sind. Und: Neue Schiffe sind nach sechs Jahren Krise deutlich billiger geworden.
„Wer über entsprechendes Kapital verfügt oder einen Investor hinter sich weiß, bestellt neue Schiffe.“ So konnte es passieren, dass in der Krise die weltweiten Überkapazitäten in der Schifffahrt weiter zunahmen. Die Flotte wuchs schneller als der Handel. Viele Schiffe sind nur deshalb überhaupt in Fahrt, weil sich weltweit aus Sparsamkeitsgründen ein langsameres Reisetempo durchgesetzt hat.
Bei der Schiffbaumesse SMM sind 2100 Aussteller vertreten, von denen 60 Prozent aus dem Ausland kommen. Insgesamt sind 67 Länder vertreten. Deutsche und europäische Unternehmen sind stark in der Zulieferindustrie; sie produzieren zum Beispiel Motoren, Elektronik, Navigationsgeräte oder Umwelttechnologien.
Im Schiffbau selbst spielt Europa nur noch eine untergeordnete Rolle; jeweils ein gutes Drittel des Weltmarktes entfällt auf China und Korea, weitere 20 Prozent auf Japan, gemessen an der Tonnage. Die deutschen Werften bauen vor allem hochwertige Spezialschiffe.
Die Bundesregierung will die maritime Wirtschaft als Branche der Hochtechnologie und Innovationsmotor weiter fördern. Für staatlich unterstützte Schiffsfinanzierungen bedürfe es klarer und einheitlicher politischer Rahmenbedingungen, erklärte der maritime Koordinator der Bundesregierung, Uwe Beckmeyer (SPD). Die deutsche Schiffbau- und Zulieferindustrie könne ihre starke Position auf den Weltmärkten nur durch technologischen Vorsprung behaupten.
Zu der Schiffbau-Messe werden rund 50 000 Fachbesucher erwartet. Die gezeigten Produkte reichen von großindustrieller Schiffs- und Werfttechnik über Schiffseinrichtung und -ausrüstung bis hin zu Umschlagsystemen, Meerestechnik und maritimen Dienstleistungen. An fünf Thementagen wird zudem über Finanzierung, Umweltschutz, Sicherheit, Offshore sowie Personalmanagement diskutiert.