Stahl-Tarifpartner einigen sich
Gelsenkirchen/Brüssel (dpa) - Mit Lohnsteigerungen und strengen Regeln zum Einsatz von Werkvertragsfirmen ist der Tarifstreit in der nordwestdeutschen Stahlindustrie beigelegt worden.
Die rund 75 000 Beschäftigten erhalten ab Juli für die nächsten 17 Monate in zwei Schritten mehr Geld. In den ersten zehn Monaten gibt es 2,3 Prozent mehr, ab 1. Mai 2015 für sechs Monate noch einmal 1,7 Prozent. Darauf verständigten sich Arbeitgeber und IG Metall am Dienstagmorgen nach rund 14-stündigen Verhandlungen in Gelsenkirchen.
Erstmals sei es der IG Metall gelungen, für eine Schlüsselbranche tarifvertragliche Regelungen zu sogenannten Werkverträgen zu vereinbaren, sagte der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann. Nach Angaben einer Gewerkschaftssprecherin werden damit Standards für die Beschäftigten mit Werkverträgen etwa zu Entlohnung, Arbeitszeiten und Sicherheit verbindlich geregelt.
Die Vergabe von Arbeiten an Subunternehmen werde künftig durch den Betriebsrat geprüft. Bislang habe es derartige Regelungen lediglich in Betriebsvereinbarungen gegeben, hieß es.
In Brüssel beschloss der Gewerkschaftsvorstand unterdessen erste Forderungen für die Verhandlungen in der mit 3,7 Millionen Beschäftigten weit größeren Metall- und Elektrobranche.
Zwei freie Jahre mit über 80 Prozent Lohnfortzahlung für ein Studium oder einen höheren Berufsabschluss: So könnte beispielsweise die Bildungsteilzeit aussehen, die die IG Metall in der deutschen Schlüsselindustrie durchsetzen will. Nach dem Vorbild der Altersteilzeit würden in dem Beispiel die Beschäftigten zwei Jahre in Vollzeit vorarbeiten und auch in dieser Zeit geringere Bezüge, aber kaum geminderte Rentenbeiträge erhalten.
Vor allem An- und Ungelernte benötigten bessere berufliche Entwicklungschancen, begründete der Gewerkschaftsvorstand seinen Forderungsbeschluss. „Fehlende Zeit und fehlendes Geld für berufliche Entwicklung sind die größten Hemmnisse“, sagte der Zweite Vorsitzende Hofmann.
Auch die bereits seit 2010 tariflich verankerte Altersteilzeit muss nach der jüngsten Reform der gesetzlichen Rente neu verhandelt werden. Eine Lohnforderung will die Gewerkschaft erst Ende November zum Verhandlungsstart aufstellen.
Arbeitgeber-Chef Rainer Dulger signalisierte, dass auch Gesamtmetall die Altersteilzeit erhalten will. Sie müsse aber gerechter gestaltet werden, um diejenigen zu stützen, die aufgrund von Belastungen vorzeitig ausscheiden müssten. Aus- und Weiterbildung sei in den Betrieben gelebter Alltag.
„Mit einer bezuschussten Bildungsteilzeit würde letztendlich der Schichtarbeiter dem Ingenieur das Masterstudium bezahlen - das wäre ungerecht“, sagte Dulger in Berlin. Nach den Vorstellungen der IG Metall sollten Ältere weniger arbeiten und Jüngere auch weniger arbeiten. „Ich frage mich, wer die Arbeit überhaupt noch machen soll.“
In der Stahlbranche verständigten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft nach etlichen Warnstreiks in der vierten Runde darauf, dass die bisherigen Ansprüche aus der Altersteilzeit auch nach Einführung der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren erhalten bleiben. Wegen des neuen Gesetzes hätten sonst zahlreiche Stahlarbeiter mit finanziellen Einbußen rechnen müssen. Darüber hinaus soll die unbefristete Übernahme der Auszubildenden, die nun monatlich 36 Euro mehr bekommen, bis 2018 verlängert werden.