Lira auf Rekordtief Streit zwischen Türkei und den USA verschärft sich

Istanbul/Washington (dpa) - Im Streit zwischen den Nato-Partnern Türkei und USA hat sich der Ton stark verschärft - mit schweren Folgen für die türkische Wirtschaft.

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Am Wochenende sprach der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in mehreren kämpferischen Reden von „Kampagnen“ gegen sein Land und griff die USA erneut scharf an.

„Ihr versucht, 81 Millionen Türken für einen Pastor zu opfern, der Verbindungen zu Terroristen hat“, sagte er - ohne die USA direkt zu erwähnen - am Sonntag in der Stadt Trabzon. „Aber wir haben euren Plot durchschaut und fordern euch heraus.“ Was die USA mit Provokation nicht geschafft hätten, versuchten sie nun mit Geldpolitik zu erreichen. Es sei „ganz klar ein Wirtschaftskrieg“.

Im Zentrum der Affäre steht der Streit um zwei Geistliche. Die USA fordern die Freilassung des US-Pastors Andrew Brunson, der wegen Terrorvorwürfen in der Türkei festgehalten wird. Die Türkei wiederum will, dass die USA den dort lebenden türkischen Prediger Fethullah Gülen ausliefern, diesen macht Erdogan für den Putschversuch von 2016 verantwortlich.

Nach der Eskalation des Streits in den vergangenen Wochen hatte US-Präsident Donald Trump per Twitter die Verdoppelung der Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der Türkei verkündet. Die türkische Lira brach danach teilweise um fast 20 Prozent ein. Für einen Dollar wurden zeitweise 6,87 Lira fällig. Zu Anfang des Jahres waren es noch 5 Lira.

Insgesamt hat die Währung seit Jahresbeginn zum Dollar mehr als 70 Prozent an Wert verloren, zum Euro rund 61 Prozent. Stahl aus der Türkei wird in den USA nun bereits von diesem Montag an mit Abgaben in Höhe von 50 Prozent statt bislang 25 Prozent belegt. Die Strafzölle auf Aluminium aus der Türkei sollen nach Trumps Worten auf 20 Prozent verdoppeln werden.

„Wieder sehen wir uns einer politischen und heimtückischen Verschwörung gegenüber, aber so Gott will werden wir auch diese überwinden“, sagte Erdogan in Trabzon. Eine Intervention des Internationalen Währungsfonds (IWF), den viele Beobachter anregen, lehnte er ab. „Wir wissen sehr gut, dass die, die uns ein Geschäft mit dem IWF vorschlagen, uns eigentlich vorschlagen, die politische Unabhängigkeit unsere Landes aufzugeben“, sagte Erdogan.

In einer Ansprache in Rize am Schwarzen Meer sagte der türkische Präsident am Samstag, die Kugeln, Granaten, Raketen in diesem Wirtschaftskrieg seien „Dollar, Euro oder das Gold“. Er drohte damit, denen „die Hände zu brechen, die diese Waffen abfeuern“.

In einem Gastbeitrag in der „New York Times“ warf Erdogan dem Nato-Partner USA Respektlosigkeit vor. Sollte das so weitergehen, werde seine Regierung damit beginnen, „nach neuen Freunden und Verbündeten zu suchen“, schrieb Erdogan. Damit meint er unter anderem Russland. Das nächste Treffen steht kurz bevor: An diesem Montag und Dienstag ist der russische Außenminister Sergej Lawrow in Ankara zu Besuch. Nach Informationen aus Moskau soll es vor allem um die Vorbereitung eines Syriengipfels am 7. September gehen.

Erdogan dementierte am Wochenende mehrmals, dass die türkische Wirtschaft in einer Krise stecke. „Das ist keine Wirtschaft, die bankrott geht, die untergeht oder die durch eine Krise geht“, sagte er in der Ansprache in Rize. Wirtschaftsbosse, von denen bisher viele zu Erdogans Unterstützern zählen, sehen das aber zum Teil anders. Die Zeitung „Sabah“ zitierte den Chef der Istanbuler Industriekammer, in der einige der wichtigsten Industriellen des Landes organisiert sind, mit der Bitte um dringende Maßnahmen der Regierung. Der Lira-Verfall riskiere die finanzielle Stabilität des Landes.

Erdogan wiederum forderte die einheimischen Unternehmer dazu auf, sich von der erschwerten Wirtschaftslage nicht beeinflussen zu lassen. Er sei nicht nur die Pflicht der Regierung, die Nation am Leben zu erhalten - „es ist auch die Pflicht der Industriellen und der Händler“, sagte Erdogan am Sonntagabend. Er warnte die Firmen davor, Bankrott anzumelden: „Wenn ihr das macht, begeht ihr einen Fehler!“ Erdogan verlangte außerdem, dass die Industriellen keine Fremdwährungen ankaufen sollten - das könnte die türkischen Banken noch mehr unter Druck setzen.

Der Staatspräsident bestand am Wochenende außerdem weiterhin auf einer äußerst umstrittenen These: Die Lösung sei, die Zinsen zu senken und mehr zu produzieren, sagte er. Der Präsident liegt damit seit Jahren diametral entgegengesetzt zur gängigen Wirtschaftslehre, wonach Zinserhöhungen die Währung stärken und die Inflation bekämpfen. Die hat in der Türkei inzwischen die 15-Prozent-Marke überstiegen.

Mit der Wiederholung dieses von Investoren und Märkten viel kritisierten Credos sabotierte der Staatspräsident gleichzeitig ein Maßnahmenpaket zur Rettung der angeschlagenen Wirtschaft, das sein Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak am Freitag in Ankara vorgestellt hatte. Das „neue Wirtschaftsmodell“, das Märkte und Investoren beruhigen sollte, blieb allerdings vage - was den Absturz der Lira weiter beschleunigte. Mittlerweile wird nach Einschätzung einiger Analysten an den Märkten schon die Möglichkeit einer Staatspleite durchgespielt.

Mit-Verantwortung für die Krise übernahm Erdogan nicht. Stattdessen erhob er die USA und den Westen zum Feindbild. „Sie bedrohen uns“, sagte Erdogan am Samstag in der Schwarzmeerprovinz Ordu mit Blick auf die USA. Die Türkei werde aber nicht nachgeben: „Man kann diese Nation nicht mit Drohungen zähmen.“ Seine Landsleute forderte er zugleich auf, ihre Gastfreundschaft gegenüber Touristen weiter zu verbessern. „Denn sie bringen Euch Dollar (...).“

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kritisierte Trumps Wirtschaftspolitik mit Sanktionen und Strafzöllen scharf. „Dieser Handelskrieg verlangsamt und zerstört Wirtschaftswachstum und produziert neue Unsicherheiten“, sagte er der „Bild am Sonntag“.