Tarife: Bahnstreiks mitten im Urlaub?
Millionen Pendler müssen bangen: Denn bei der Bahn wird verhandelt. Diesmal geht es nicht nur um mehr Geld.
Frankfurt/Berlin. Am Montag startet die Tarifrunde bei der Deutschen Bahn - und sie birgt diesmal zusätzlichen Zündstoff: Die Gewerkschaften wollen einheitliche Tarifstandards für die gesamte Branche durchsetzen. Doch dafür müssen der bundeseigene Konzern und seine privaten Konkurrenten in ein gemeinsames Boot.
Nach dem erfolgreichen Tarifkampf der Lokführer 2008 haben die Unterhändler der Bahn parallele Gesprächstermine im Kalender. Am Montag ist der Auftakt mit den beiden großen Gewerkschaften Transnet und GDBA in Frankfurt, die eine Tarifgemeinschaft für 165 000 Beschäftigte des Konzerns bilden. Am Freitag folgt die erste Runde mit der kleineren Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Sie verhandelt alleine über einen separaten Vertrag für alle 20 000 Lokführer.
In ihrem Forderungspaket verlangen Transnet und GDBA sechs Prozent mehr Geld - und verweisen auf den "satten Gewinn" in der Bahn-Bilanz. Neben einer realen Einkommenserhöhung soll es auch um Verbesserungen bei Arbeitszeit und Zulagen gehen.
Die GDL fordert fünf Prozent mehr Geld. Sie will zudem, dass Lokführer ihren Job nicht verlieren, wenn ein Streckennetz bei Ausschreibungen an einen anderen Betreiber geht. Das gemeinsame große Vorhaben des Gewerkschaftstrios sind aber einheitliche Tarifstandards für die Branche, also der Durchbruch für einen Branchentarifvertrag.
Seit langem geißeln die Arbeitnehmervertreter einen Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten. Im Schienennahverkehr, wo bei der Bahn und Konkurrenten wie Veolia oder Arriva insgesamt etwa 40 000 Menschen arbeiten, ist der Druck bei Ausschreibungen hoch. Die Einkommen bei privaten Anbietern liegen teils 20 bis 30 Prozent unter dem Niveau der Deutschen Bahn.
Aber auch der Marktführer gliedert sehr zum Ärger der Gewerkschaften außertarifliche Tochtergesellschaften aus - "als Notlösung", wie sich Bahnchef Rüdiger Grube rechtfertigt. Einem Branchentarifvertrag stehe der bundeseigene Konzern "nicht im Wege". Aus dem konkurrierenden Arbeitgeberlager, dessen Unternehmen derzeit niedrigere Kosten haben, waren solche Signale aber bisher noch nicht zu hören.
Das Säbelrasseln hat schon begonnen. Sollte ein Branchentarif nicht bis Ende Juli stehen, haben die Gewerkschaften mit "Arbeitskampfmaßnahmen im gesamten Schienenverkehr" gedroht. Die Friedenspflicht bei der Deutschen Bahn endet am 31. Juli, erst dann sind massive Streiks erlaubt. Nadelstiche wären aber auch früher denkbar, etwa wegen Betriebsversammlungen. Grube warnte bereits vor Arbeitsniederlegungen: "Wenn gestreikt wird, fährt die Bahn nicht, das bremst die Konjunktur und trifft den Standort Deutschland und damit die Erwerbstätigen selbst."