Überraschender Wechsel an der Spitze von Bertelsmann

Gütersloh (dpa) - Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski, der den Medienriesen durch die tiefste Krise gesteuert hat, gibt den Chefsessel völlig überraschend an Finanzvorstand Thomas Rabe ab. Ostrowski wechsele zum Jahresende „aus persönlichen Gründen“ in den Aufsichtsrat, teilte der Konzern in Gütersloh mit.

In Unternehmenskreisen hieß es, Ostrowski sehe sich nach den kräftezehrenden Jahren an der Konzernspitze selbst nicht mehr im Besitz der nötigen Energie für eine zweite Amtszeit. Deshalb habe er Gesellschafter und Aufsichtsrat darüber in Kenntnis gesetzt, dass er für eine Verlängerung des Vertrages nicht mehr zur Verfügung stehe.

Der 53-jährige Ostrowski steht seit dem Jahr 2008 an der Spitze des größten Medienunternehmens in Europa. In seiner Amtszeit trug er den Schuldenberg des Konzerns zu großen Teilen ab. Zugleich wurde Bertelsmann tiefgreifend umgebaut und steht heute profitabler denn je da.

Nachfolger Rabe gilt als Senkrechtstarter und Hoffnungsträger für Zukunftsgeschäfte. Er hat zum Beispiel das Comeback von Bertelsmann im Musikrechtegeschäft eingefädelt. Die Songrechte etwa für Werbespots gelten als viel profitabler als das klassische Tonträgergeschäft, aus dem sich Bertelsmann vor Jahren verabschiedet hat.

Bertelsmann-Aufsichtsratschef Gunter Thielen verspricht sich viel von dem 46 Jahre alten Spitzenmanager Rabe: „Wir sind sicher, dass wir mit ihm einen Unternehmer an der Spitze haben, der weitere Impulse für die Wachstumsstrategie und die Weiterentwicklung von Bertelsmann setzen wird.“ Thielen lobte zugleich die Verdienste Ostrowskis: „Er hat das Unternehmen in schweren Zeiten geführt.“

Ostrowski ist seit mehr als 30 Jahren bei der Bertelsmann AG und war sechs Jahre lang auch Vorstandschef der Tochter Arvato. In seiner Zeit als Konzernchef hat er mit der Werbekrise 2009 umgehen müssen. Denn Bertelsmann macht ein Viertel seines Umsatzes mit Werbung.

Ostrowski legte bei dem Unternehmen das größte Sparprogramm in fast 180 Jahren Firmengeschichte auf. Er leitete einen tiefgreifenden Umbau ein. Ertragsschwache Segmente wurden konsequent abgestoßen. So wurde das Buchclubgeschäft schrittweise zusammengeschrumpft. Zugleich gelang es Bertelsmann, immense Schulden aus einem Aktienrückkauf innerhalb von fünf Jahren drastisch abzubauen. Sie wurden mehr als halbiert.

Thomas Rabe ist seit 2006 Finanzvorstand und Leiter der Konzernzentrale. Zuvor hatte er seit 2000 in gleicher Funktion bei der RTL Group in Luxemburg gearbeitet. Rabe verantwortet bei Bertelsmann zugleich Investitionen in Zukunftsgeschäfte. Dazu gehören neben dem hochprofitablen Musikrechtegeschäft ein Fonds für digitale Medien sowie Investitionen in interessante Geschäfte in Asien. „Der Zeitpunkt des Wechsels gewährleistet, dass die Stabübergabe an Thomas Rabe reibungslos vonstattengehen wird“, fuhr Thielen fort. Über Rabes Nachfolge als Finanzvorstand soll später entschieden werden.

Im vergangenen Jahr hatte der Konzern die Krise hinter sich gelassen, mit 656 Millionen Euro Gewinn die eigenen Prognosen übertroffen und eines der besten Ergebnisse überhaupt eingefahren. Er verbuchte im Geschäftsjahr 2010 einen Umsatz von 15,8 Milliarden Euro. Zum Unternehmen gehören der Unterhaltungskonzern RTL Group, die Dienstleistungstochter Arvato, der Buchverlag Random House sowie der Zeitschriftenverlag Gruner+Jahr. Ende 2010 beschäftigte Bertelsmann weltweit rund 104 400 Mitarbeiter.