Warnstreikwelle der Metaller rollt durch Deutschland

Stuttgart/Düsseldorf/München (dpa) - Die erste große Warnstreikwelle in der Metall- und Elektroindustrie ist am Mittwoch auf breiter Front angerollt. Mit Aktionen in ganz Deutschland will die IG Metall die Arbeitgeber im Tarifstreit des wichtigsten deutschen Industriezweigs aus der Reserve locken.

Nachdem der Auftakt am Wochenende noch eher verhalten war, legten nach Gewerkschaftsangaben nun mehr als 30 000 Beschäftigte in über 100 Betrieben die Arbeit nieder. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen waren zentrale Brennpunkte. Auch in Berlin, Hessen und weiten Teilen Ostdeutschlands gab es Warnstreiks.

Vor allem im Südwesten erhöhte die IG Metall die Schlagzahl. Rund 12 000 Mitarbeiter beteiligten sich in Baden-Württemberg, die Warnstreiks wurden auf 55 Betriebe ausgeweitet. „Das Angebot der Arbeitgeber vom 19. April hat die Gräben vertieft, nicht geglättet“, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann der Nachrichtenagentur dpa. Unter anderem ruhte die Arbeit an Standorten der Branchenriesen Bosch und Daimler vorübergehend. Der Aufruf zum Ausstand war aber auch an viele kleine Unternehmen im Maschinenbau gerichtet.

Die Gewerkschaft verlangt für die bundesweit rund 3,6 Millionen Beschäftigten 6,5 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem dringt die IG Metall auf eine unbefristete Übernahme von Lehrlingen und mehr Mitbestimmung der Betriebsräte bei Leiharbeit. Die Arbeitgeber bieten bisher 3 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 14 Monaten. Die übrigen Forderungen lehnen sie ab.

Die Arbeitgeberseite sprach von überzogenen Aktionen. „Warnstreiks richten einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden an. Sie sind unverantwortlich und schädlich für Betriebe und Beschäftigte“, ließ der Chef der Freiburger Südwestmetall, Stephan Wilcken, erklären. Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser verteidigte die Haltung der Unternehmen: „Die Situation ist schwierig. Es kann durchaus zu einer weiteren Zuspitzung kommen. Das wäre bedauerlich, dann aber nicht zu ändern“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

In Nordrhein-Westfalen beteiligten sich den Organisatoren zufolge über 2000 Mitarbeiter an Demonstrationen, im Düsseldorfer Werk des Autobauers Daimler waren es allein 800 Kollegen der Frühschicht. IG-Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard kündigte schärfere Proteste an, falls nicht rasch ein neues Angebot vorgelegt wird. „Wenn sich die Arbeitgeber nicht endlich in Bewegung setzen, dann sind die heute beginnenden Warnstreiks nur der Anfang.“ Weitere sollen an Rhein und Ruhr folgen - unter anderem bei Siemens, Deutz, MAN und Miele.

Der Hausgerätehersteller Miele war bereits am Mittwoch Ziel einer Warnstreik-Offensive. Etwa 200 Arbeiter versammelten sich am Werk in Lehrte bei Hannover, um mit IG-Metall-Leiter Hartmut Meine durch die Stadt zu ziehen. Später kamen Beschäftigte des Mikrofon- und Kopfhörer-Spezialisten Sennheiser dazu. „2011 war ein hervorragendes wirtschaftliches Jahr“, sagte Meine. „Unsere Tarifforderung ist nicht nur berechtigt - die Unternehmen können sie auch bezahlen.“

„Warnstreiks sind kein Selbstzweck“, stellte auch Burkhard klar. Bei allen umstrittenen Fragen müsse eine Lösung her - das gelte für die geforderte Entgelterhöhung, aber auch für die „qualitativen“ Themen Azubi-Übernahme und Regulierung von Zeitarbeit: „Dafür müssen die Arbeitgeber sich noch gewaltig bewegen.“ IG-Metall-Chef Berthold Huber hatte am Dienstag eine härtere Gangart angekündigt: „Wir werden keine substanzlosen Verhandlungen mehr führen.“ Gebe es bis Pfingsten keine Lösung, werde es zu Urabstimmungen für richtige Streiks kommen.

Auch in Bayern legten die Beschäftigten in zahlreichen Betrieben die Produktion lahm. Nach Gewerkschaftsangaben nahmen rund 6000 von ihnen an Warnstreikaktionen teil, bei MAN in München waren es gut 3000. „Wir sind jetzt in der heißen Phase der Tarifrunde“, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Jürgen Wechsler. Der erste Bevollmächtigte der IG Metall München, Horst Lischka, kündigte für diese Woche zudem weitere Warnstreiks in den großen bayrischen Unternehmen an.

Ähnlich war die Lage in Hessen. Im Tarifbezirk Frankfurt, zu dem auch Rheinland-Pfalz, das Saarland und Thüringen gehören, legten mehr als 3500 Beschäftigte die Arbeit nieder. Unter anderem waren das Mercedes-Benz-Achsenwerk in Kassel und der Standort von Continental in Frankfurt-Rödelheim betroffen. Am Donnerstag wollen die Gewerkschafter in Hanau, Kassel und Offenbach auf die Straße gehen.

Berlin und viele ostdeutsche Regionen wurden von den Aktionen ebenfalls nicht verschont. In Berlin protestierten unter anderem Mitarbeiter des Konsumgüter-Riesen Procter & Gamble, in Ludwigsfelde (Brandenburg) Kollegen des Triebwerksbauers MTU. In Thüringen traf es den Technologiekonzern Thales in Arnstadt - ebenso wie sächsische Firmen: Knapp 5000 Metaller verliehen ihren Forderungen Nachdruck - darunter 3500 Menschen vor dem Werkstor von VW Sachsen in Zwickau.

Am Donnerstag soll die Warnstreikwelle auch den Bezirk Küste erreichen. Von Wilhelmshaven über Lübeck und Hamburg bis Rostock und Stralsund sind die Metaller aufgerufen, ihre Arbeit vorübergehend niederzulegen. Die Arbeitgeber zeigten sich gesprächsbereit, warfen der Gewerkschaft zugleich jedoch eine Verzögerungstaktik vor.

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