Wirtschaft: Deutschland eilt davon
Das dicke Plus in den öffentlichen Kassen erfreuen die Finanzminister. Doch das Risiko ist groß.
Berlin. Europas Sparkommissar Deutschland hat mitten in der Schuldenkrise geschafft, wovon die meisten seiner Euro-Partner derzeit nur träumen können: Der Staat nimmt mehr ein, als er ausgibt. Volkswirte mahnen aber, jetzt nicht das Geld mit vollen Händen auszugeben: Trotz der positiven Momentaufnahme zum ersten Halbjahr schwimme Deutschland keineswegs im Geld.
„Wir sollten nicht jeden Euro gleich wieder ausgeben, sondern uns freuen, dass wir auf dem Konsolidierungskurs etwas schneller vorankommen“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Für Deutschland, das mit seiner in der Verfassung verankerten Schuldenbremse Maßstäbe setzt, sei das der Lackmustest: Überschüsse müssten als Puffer für schlechte Zeiten genutzt werden.
Der deutsche Schuldenberg türmt sich derzeit auf mehr als zwei Billionen Euro. Die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung (BIP) lag Ende des ersten Quartals bei 81,2 Prozent und damit deutlich über den in den europäischen Verträgen vereinbarten 60 Prozent.
Dass Europas größte Volkswirtschaft dennoch weitaus besser dasteht als seine Euro-Partner, liegt vor allem daran, dass Waren „Made in Germany“ — Fahrzeuge, Präzisionsmaschinen, Spezialchemikalien — auch in Krisenzeiten weltweit gefragt sind. Die relativ stabile Konjunktur in Deutschland sorgt wiederum für einen robusten Arbeitsmarkt. Das entlastet die Sozialkassen, etwa beim Arbeitslosengeld.
Vor allem hat Deutschland nach Überzeugung von Ökonomen früher als Spanien, Italien, Frankreich und Co. Reformen auf den Weg gebracht: „In der Boomphase vor der jetzigen Krise sind strukturelle Weichen gestellt worden, um den Staatshaushalt auf eine solidere Basis zu stellen“, erklärt Postbank-Experte Heinrich Bayer.
Er erinnert an die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent im Jahr 2007. Auch die „Agenda 2010“ des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder wird immer wieder als wichtiger Baustein angeführt: Lohnnebenkosten sanken, der Arbeitsmarkt wurde flexibler.