Wochen der Wahrheit beim IWF: Lagarde Favoritin
Washington (dpa) - Die Bewerbungsfrist läuft ab, jetzt muss sich der IWF entscheiden. In spätestens drei Wochen soll die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn an der Spitze feststehen. Die französische Finanzministerin Lagarde gilt als Favoritin - doch die Schwellenländer murren weiter.
Die Endrunde im Zweikampf von Lagarde und dem mexikanischen Notenbankchef Agustín Carstens um die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn an der Spitze des Internationalen Währungsfonds soll von Samstag an bis zum 30. Juni laufen. Bis dahin will der Verwaltungsrat seine Entscheidung über den künftigen Chef der UN-Sonderorganisation getroffen haben.
Der als Außenseiter geltende Chef der kasachischen Zentralbank, Grigory Marchenko, zog seine Bewerbung wenige Stunden vor dem Ende der Nominierungsfrist um Mitternacht laut CNN zurück. Es sei „mehr oder weniger offensichtlich“, dass der Job an Lagarde gehen werde, zitierte der US-Nachrichtensender auf seiner Website den bis dahin dritten Nominierten. Die Französin bezeichnete er als „zweifellos sehr gute Kandidatin“.
Kurzzeitig war am Freitag auch ein potenzieller Kandidat aus Südafrika auf der Bildfläche erschienen. Der Planungsminister des Landes, Trevor Manuel, gab aber wenig später bekannt, doch nicht antreten zu wollen.
Der Posten als Geschäftsführender Direktor beim IWF war vakant geworden, nachdem Strauss-Kahn wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung zurückgetretenen war. Er soll ein Zimmermädchen in einem New Yorker Hotel bedrängt haben und steht in der Metropole unter Hausarrest, während er auf das Gerichtsverfahren wartet.
Lagardes Bewerbung wird nun offenbar auch geschlossen von den Ländern Afrikas unterstützt. Das sagte die Wirtschaftsministerin von Guinea-Bissau, Helena Embaló, am Freitag. Auch der Finanzminister der Demokratischen Republik Kongo, Ponyo Matata, äußerte sich entsprechend. Er spreche „im Namen der 30 afrikanischen Länder des IWF“, sagte er bei einer Pressekonferenz der Französin.
Im Rahmen ihrer Werbetour hatte die Französin zuletzt mehrere asiatische Länder besucht. Während die Unterstützung der Europäer sicher scheint, hielten sich bislang vor allem Indien und China zurück. Die USA als größter Anteilseigner hatte bis zuletzt keine Präferenz geäußert, aber auch keinen Widerspruch gegen die europäischen Vorstellungen verlauten lassen.
Nach einem ungeschriebenen Gesetz wird der IWF von einem Europäer geführt, die Weltbank als Schwesterorganisation auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Washington hingegen von einem Amerikaner. Das jeweilige Stimmengewicht der 187 Mitgliedsländer wird von deren Wirtschaftskraft bestimmt.
Die Kandidatur der 55-jährigen Favoritin bleibt allerdings weiter von einem Justizfall überschattet. Noch mindestens einen Monat lang wird sie mit dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs konfrontiert sein. Der Pariser Gerichtshof der Republik teilte am Freitag mit, erst am 8. Juli über ein eventuelles Ermittlungsverfahren wegen möglicher Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder gegen sie zu entscheiden - also er nach der geplanten Vergabe des IWF-Chefpostens.
Auch Carstens kämpft mit einer Werbereise um die Welt weiter um seine Chance auf den Chefposten. Nach eigenen Angaben kann er auf die Unterstützung zwölf Latein- und südamerikanischer Staaten zählen, ohne allerdings Brasilien und Argentinien im Boot zu haben. Carstens gilt wegen seiner Kompetenz als ökonomisches Schwergewicht. Er war beim IWF unter anderem schon Exekutiv-Direktor und in der Funktion als Stellvertretender Geschäftsführender Direktor für die Beziehungen des Fonds zu rund 70 Mitgliedsländern verantwortlich.
Bei den Schwellenländern herrscht weiterhin Unmut, dass Europa erneut die Führung der globalen Finanzfeuerwehr für sich beansprucht. Es wäre „sehr unglücklich“, wenn wieder jemand an die Spitze käme, „der in die EU eingebunden ist“, sagte auch der Beinahe-Kandidat Manuel in Johannesburg. Südafrikas Regierung hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach für einen neuen IWF-Chef aus den Aufsteigernationen ausgesprochen. Allerdings konnten sich die Länder nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Lagarde sagte Entwicklungsländern im Fall ihrer Wahl mehr Mitspracherecht zu.