Debatte Wohungsnot - Grünen-Chef Habeck legt bei Enteignungen nach

Berlin · Die Kanzlerin erteilt dem Chef der Grünen eine Absage. Unionspolitiker stellen Zusammenarbeit infrage.

Macht sich mit seinen weiterführenden Forderungen zum Thema Enteignungen politisch wenig Freunde: Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen.

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Auch die Kanzlerin schaltete sich gestern in die Debatte ein. Sie halte Enteignungen von Wohnungskonzernen „nicht für ein geeignetes Mittel zur Linderung der Wohnungsnot“, ließ sie ihren Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen. Derjenige, der das Thema noch einmal richtig ins Rollen gebracht hatte, Grünen-Chef Robert Habeck, zeigte sich jedoch unbeeindruckt. Er legte nach.

Von vielen Seiten bekam Habeck am Montag Feuer. „Die neuen Grünen haben wie bisher die alten Ideen“, ätzte FDP-Chef Christian Lindner. Die Debatte über Enteignungen sei eine aus der „sozialistischen Mottenkiste“. Solche Maßnahmen führten nur zu Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe, prophezeite Lindner.

„Fassungsloses Entsetzen“ schlägt ihm entgegen

Auch die Union übte heftige Kritik. Ideologie löse keine Probleme, wetterte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Jetzt eine öffentliche Debatte über Enteignungen zu beginnen, wo wir in allen Städten den Wunsch haben, dass mehr Menschen in Wohnungen investieren, ist extrem schädlich“, schimpfte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Die Diskussion müsse schnell beendet werden, denn viele potentielle Investoren „werden dadurch verunsichert“. Und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak ging nach den Gremiensitzungen seiner Partei noch einen Schritt weiter: „Wenn das jetzt die neue Politik ist der Grünen, kann es keine Zusammenarbeit mit der CDU künftig geben.“ Er sei „fassungslos“.

Harter Tobak. Doch Habeck ließ alles an sich abperlen. Bei der Pressebegegnung nach der Sitzung des Grünen-Vorstands antwortete er auf die Frage, ob ihn die Wucht der Kritik überrascht habe: „Ja. Mir war aber auch sehr klar, dass ich damit ein Reizwort gesetzt habe.“ Natürlich könne man Mieten begrenzen, auch müsse mehr gebaut werden. „Aber das Grundgesetz sieht als letzte Möglichkeit Enteignungen vor.“ Der Grüne präsentierte dann ein vierseitiges Papier mit seinen Überlegungen zu einer anderen Wohnungs- und Mietenpolitik.

So müsse die bereits bestehende Baupflicht von den Städten auch durchgesetzt werden, um Spekulationen mit Bauland zu beenden. In letzter Konsequenz könne dann Enteignung gegen Entschädigung stehen. Kommunale Vorkaufsrechte sollten zudem gestärkt und öffentlicher Wohnungsbau massiv gefördert werden. Darüber hinaus schreibt Habeck in dem Papier: „In einer Notlagesituation, wie wir sie heute in manchen Städten schon vorfinden, darf man kein Mittel ganz ausschließen.“ Konzentriert werden solle sich bei Enteignungen auf Häuser mit bewusstem Leerstand, oder wenn „eine große Wohnungsgesellschaft dauerhaft ihren Pflichten als Vermieter nicht nachkommt“. Anfangs hatte Habeck sich nur dafür ausgesprochen, Eigentümer brachliegender Grundstücke, die weder bauen noch an die Stadt verkaufen wollten, notfalls zu enteignen. Inzwischen hat er seinen Ansatz erweitert.

Die Bundesregierung verwies indes auf den Koalitionsvertrag und auf die bereits auf den Weg gebrachten Maßnahmen. „Bauen, bauen, bauen, das ist unsere Linie“, zitierte ein Sprecher Bauminister Horst Seehofer (CSU). Im Dezember vergangenen Jahres habe es einen Wohngipfel gegeben, hieß es, auf dem eine Wohnraumoffensive auf den Weg gebracht worden sei. Die darin enthaltenen Vereinbarungen würden nun abgearbeitet.

Allein für den sozialen Wohnungsbau, das Wohngeld, das Baukindergeld und „eine Städtebauförderung auf Rekordniveau“ habe man über 13 Milliarden Euro bereitgestellt. „Das ist unsere Linie und nicht das Thema Enteignungen.“ Vom Tisch ist es damit aber trotzdem noch nicht.