Meinung Tabus helfen bei Wohnungsnot nicht
Meinung · Mittlerweile hat auch die große Koalition erkannt, dass das Wohnungs- und Mietenproblem in den Städten zu einer sozialen Frage mit erheblicher Sprengkraft geworden ist. Allerdings reichlich spät.
Bis die Maßnahmen wirken, die die Bundesregierung auf ihrem Wohngipfel Ende vergangenen Jahres auf den Weg gebracht hat, werden noch Jahre vergehen. Viele Menschen in Deutschland suchen aber jetzt dringend eine Bleibe, die noch einigermaßen bezahlbar für sie ist. Und die gibt es kaum noch.
In so einer extrem angespannten Situation Denkverbote und Tabus aufzubauen, ist völlig verkehrt. Robert Habeck hat Recht. Die Möglichkeit der Enteignung steht im Grundgesetz – als Ultima Ratio. Es geht also nicht darum, der Oma ihr kleines Häuschen wegzunehmen. Sondern es geht zum Beispiel um Häuser, die zum Teil seit Jahren unbewohnt sind, weil die Eigentümer den Leerstand künstlich herbeiführen und mit den Wohnungen spekulieren. Und was ist mit dem Bauland, das brachliegt, weil ausländische Investoren auf die Steigerung der Bodenpreise warten, anstatt endlich loszubauen? Die Drohung mit Enteignung kann da Wunder wirken. Habeck gibt wenigstens eine Antwort, die anderen sehen offenkundig noch nicht einmal das Problem.
Prinzipiell kann man Enteignungen nicht gut finden, weil sie ein erheblicher Eingriff in Eigentumsrechte sind. In der Geschichte gingen sie oft auch mit einem Missbrauch staatlicher Macht einher. Aber die heftige Kritik, die dem Grünen-Chef jetzt entgegenschlägt, zeigt, dass er einen Nerv getroffen hat. Und all diejenigen, die sich so sehr aufregen, haben es in ihrer Regierungsverantwortung versäumt, die Entwicklung am Wohnungsmarkt zu erkennen und zeitig gegenzusteuern. Tabus helfen jedenfalls nicht weiter, wenn man die Misere endlich in den Griff bekommen will. Und das muss dringend geschehen.