Kommentar Auch Schüler müssen zu Ersthelfern gemacht werden

Meinung | Düsseldorf · Erste Hilfe gehört zur Amtspflicht von Sportlehrern. Das hat der Bundesgerichtshof anhand eines dramatischen Falls entschieden. Aber auch Schüler sollten in die Pflicht genommen werden - ein Kommentar.

Der BGH will hat zur Haftung von Lehrern bei Notfällen im Sportunterricht ein Urteil gesprochen.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Es ist ein Thema, bei dem sich die meisten Menschen schwer tun, mit dem Finger auf den „Schuldigen“ zu zeigen. Auf den „Schuldigen“, der es womöglich versäumt hat, Erste Hilfe zu leisten. Denn sie werden sich eingestehen müssen, dass ihr letztes Befassen mit solchen Fragen schon lange zurückliegt. Vielleicht Jahre oder Jahrzehnte, als es für den Erwerb des Führerscheins gefordert war. Und so gibt es eine große Unsicherheit: Stabile Seitenlage, Mund-zu-Mund-Beatmung, Herzdruckmassage, wie ging das noch mal? Mache ich durch mein Eingreifen die Sache noch schlimmer?

Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Haftung des Bundeslands Hessen für ein mögliches Fehlverhalten durch seine Sportlehrer zeigt, welch dramatische Folgen ein Nicht-Handeln haben kann. Es ging um einen kollabierten Schüler, der zeitlebens mit schweren gesundheitlichen Folgen klarkommen muss. Nach dem BGH-Urteil kann sich das für die Lehrer gegebenenfalls verantwortliche Land  nicht damit herausreden, es hafte nur bei einem grob fahrlässigen Verhalten seiner Lehrkräfte. Einfache Fahrlässigkeit genügt. Und diese richterliche Vorgabe gibt dann auch den Maßstab für zukünftige Fälle vor, in denen Lehrer nicht angemessen handeln. Das Einhalten dieser Maßstäbe wiederum setzt voraus, dass sie vorbereitet werden – mit Erste-Hilfe-Kursen. Denn nur dann können sie eine Hilfestellung „rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchführen“, wie es der BGH fordert.

Der Staat verpflichtet Schüler zum Sportunterricht, der immer mit Verletzungsrisiken verbunden sein wird. Dann muss er auch dafür sorgen, dass die Aufsichtspersonen im Notfall qualifizierte Hilfe leisten können. In Nordrhein-Westfalen hat man das beherzigt. Nach Auskunft des Schulministeriums müssen Sportlehrer alle vier Jahre ihre Ersthelfer-Kenntnisse auffrischen.

Auch ein weitergehender Appell von Intensivmedizinern scheint in NRW auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. „Macht die Schüler selbst zu Lebensrettern“, fordern die Experten schon seit Jahren. Reanimations-Trainings könnten ohne großen Aufwand in den Sportunterricht eingebaut werden. Schon wenige Stunden (in denen dann mal nicht geturnt wird) reichten aus, die Schüler und damit zeitgleich auch ihre Lehrer fit zu machen.

Die Schüler lernten dann nicht nur für sich selbst, sondern könnten das Gelernte auch an ihre Eltern und Geschwister weitergeben. Laut Schulministerium nehmen in NRW bereits rund 170 Schulen an einem „Modellprojekt Laienanimation“ teil, das sich an Schüler und Lehrer richtet. Wichtige Schritte, um sich nicht nur gegen Haftungsrisiken abzusichern. Sondern auch, um Leben zu retten.