WTO strebt Chef-Wechsel an: Kandidatensuche

Genf (dpa) - Bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf hat das Kandidatenkarussell für die Neubesetzung des Chefpostens Fahrt aufgenommen. Wichtige Schwellen- und Entwicklungsländer wollen in den nächsten Tagen und Wochen einen Kandidaten aus ihren Reihen durchsetzen.

Alle insgesamt neun Bewerber um die Nachfolge von Generaldirektor Pascal Lamy (Frankreich) stehen dem WTO-Generalrat - dem höchsten Entscheidungsgremium zwischen den Konferenzen der Handelsminister - bis Donnerstag Rede und Antwort.

Bereits vor dem Auftakt der Kandidatenbefragung am Dienstag war in Genf absehbar, dass die Industriestaaten nach jahrelanger westlicher WTO-Dominanz diesmal den Kürzeren ziehen werden.

Dem einzigen westlichen Anwärter auf den „Thron“ der globalen Handelsdiplomatie - dem neuseeländischen Handelsminister Tim Groser - werden nach Angaben aus diplomatischen Kreisen eher geringe Chancen eingeräumt. Als besonders aussichtreich gilt hingegen Brasiliens Botschafter bei der WTO, Roberto Azevedo.

Die anderen Kandidaten wurden von Ghana, Costa Rica, Indonesien, Kenia, Jordanien, Mexiko und Südkorea ins Rennen geschickt. Bis Ende Mai muss der Generalrat, in dem alle 157 WTO-Mitgliedstaaten jeweils eine Stimme haben, einen Nachfolger für Lamy gewählt haben. Die zweite Amtszeit des dann 66-jährigen Franzosen geht im August zu Ende. Der frühere EU-Kommissar für Außenhandel hatte die Führung der WTO 2005 übernommen.

Abgesehen von dem Thailänder Supachai Panitchpakdi, der von September 2002 bis August 2005 an der Spitze der WTO stand, kamen bisher alle Chefs der Organisation aus entwickelten Volkswirtschaften. Der Brasilianer Azevedo, der seit 2008 Chefrepräsentant seines Landes bei der WTO ist, gilt in Genf als einer der prominentesten und erfahrensten Experten in den oft komplizierten internationalen Vertragsverhandlungen.

Zudem kann der 55-Jährige wohl mit der Unterstützung aller der sogenannten Brics-Staaten rechnen - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Diplomaten verweisen darauf, dass außer Brasilien kein anderer Brics-Staat einen Anwärter ins Rennen geschickt hat.

Hauptaufgabe der WTO ist es, Hemmnisse in den globalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen abzubauen, um dadurch weltweit mehr Wachstum zu ermöglichen. Die UN-Sonderorganisation mit Sitz in Genf nahm am 1. Januar 1995 als Nachfolgeorganisation des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) ihre Arbeit auf.

Sie legt im Konsens ihrer Mitgliedstaaten Regeln für den weltweiten Handel fest. Zugleich fungiert sie als oberstes Schiedsgericht in Streitfällen wie etwa den gegenseitigen Vorwürfen unerlaubter staatlicher Subventionierung durch die Flugzeugbauer Boeing und Airbus.