Zeitarbeit: Was heißt „vorübergehend“?
Bundesarbeitsgericht beschäftigt sich am Dienstag mit der Frage, wie lange Firmen an sie verliehene Mitarbeiter beschäftigen dürfen.
Erfurt/Münster. Das Jahr könnte für Zehntausende Leiharbeiter mit einem juristischen Paukenschlag enden: Die Bundesarbeitsrichter in Erfurt könnten dafür sorgen, dass der mitunter jahrelange Einsatz von Leiharbeitern in Unternehmen — oft zu schlechteren Konditionen als die Stammbelegschaften — bald passé ist. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts beschäftigt sich mit der Frage: Was heißt eigentlich „vorübergehend“?
Mit dem Begriff hatte die Bundesregierung Ende 2011 versucht, den nach der Liberalisierung 2003 um sich greifenden Dauereinsatz von Leiharbeitern zu begrenzen. Bei der Verhandlung morgen, bei der voraussichtlich ein Urteil fällt, geht es um die juristische Deutung des Wortes „vorübergehend“ im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
Der Präzedenzfall kommt aus dem Kreis Lörrach in Baden-Württemberg. Ein von 2008 bis 2011 an einen Klinikbetreiber verliehener IT-Sachbearbeiter verlangt seine Festanstellung und die Zahlung der Lohndifferenz.
Zwischen 2003 und 2011 sei eine Art Sonderwirtschaftszone Leiharbeit entstanden, sagt der Arbeitsrechtler Peter Schüren von der Universität Münster. „Man konnte sich Zweitbelegschaften zu Dumpingbedingungen schaffen. Da haben Unternehmen auf Kosten der Arbeitnehmer viel Geld gespart.“
Ob sich die Bundesrichter auf eine maximale Einsatzdauer von Leiharbeitern festlegen, ist offen. SPD und Union haben in ihrem Koalitionsvertrag eine Regelung mit bis zu eineinhalb Jahren angekündigt.
Morgen geht es laut Gerichtssprecherin Inken Gallner auch um die Frage, was passiert, wenn Firmen das Dauereinsatzverbot ignorieren. „Steht ein dauerhaft beschäftigter Leiharbeiter in einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleihunternehmen?“
Bejahen das die Richter, hätte das weitreichende Konsequenzen: Viele Firmen bekämen plötzlich größere Stammbelegschaften. Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Hälfte der im Boomjahr 2010 neu geschaffenen 200 000 Zeitarbeitsjobs reguläre Arbeitsplätze verdrängt.