Zuckerbrot und Peitsche bei Opel
Für die Sanierung will GM besonders die deutschen Werke bluten lassen. Bis zu 5400 Stellen sind gefährdet.
Rüsselsheim. In der Öffentlichkeit gibt es Zuckerbrot, doch hinter den Kulissen wird die Peitsche hervorgeholt. Der frohen Kunde vom Erhalt aller vier deutschen Opel-Standorte folgte am Mittwoch die Hiobsbotschaft. Bei der Sanierung der Tochter Opel will der Autobauer General Motors (GM) die deutschen Werke besonders bluten lassen. Bis zu 5400 Stellen könnten gestrichen werden, falls das belgische Werk in Antwerpen weiter besteht. Das wäre jeder fünfte Arbeitsplatz im Opel-Stammland.
Doch den Opel-Arbeitern ist klar, ohne harte Einschnitte wird die Sanierung nicht abgehen. Opel muss schlanker werden, um angesichts der Überkapazitäten zu überleben, weisen Branchenexperten nach. Die erste Sanierungswelle im Jahr 2004 mit dem Abbau von 9000 Stellen hat bei weitem nicht gereicht.
Auch heute noch ist die Liste der Nachteile lang: Zu viele Werke im teuren Westeuropa, zu wenige attraktive Modelle, zu hohe Kosten und Überkapazitäten. Ob das Streichen von Jobs nach dem Rasenmäherprinzip reicht, bezweifeln Experten. "General Motors müsste ein Werk schließen", meint Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft (Geislingen).
Ohne frisches Geld dürfte die Sanierung aber nicht gelingen. So hartnäckig GM-Europachef Nick Reilly es auch dementiert: Im Poker um die Zukunft von Opel deutet alles auf einen neuerlichen Wettstreit um Staatshilfen für den Erhalt von Arbeitsplätzen hin. Da wird auch die Bundesregierung mitmachen - auch wenn sie eigentlich nur bei einem Zuschlag für den Kaufinteressenten Magna 4,5 Milliarden Staatshilfen beisteuern wollte. Denn Magna wollte die deutschen Werke schonen und "nur" 4500 Stellen hierzulande abbauen.
Nun haben sich die Befürchtung vieler bewahrheitet: GM will in Deutschland weit stärker zuschlagen als Magna. Der Charmeoffensive von GM begegnet Berlin daher äußerst zurückhaltend, während Belgien, Spanien oder England mit Angeboten in die Offensive gehen.
Ohnehin sind die Planzahlen noch längst nicht in Stein gemeißelt. GM will die Restrukturierung von Opel dem Vernehmen nach auch mit Hilfe der Belegschaft stemmen. Um diese zum Lohnverzicht zu bewegen, wird sich der US-Konzern aber noch einiges einfallen lassen müssen. So fordert der Betriebsrat die Umwandlung der Adam Opel GmbH in eine AG, die eigenständige Entwicklung und Produktion von Getrieben, Motoren und Modellen sowie den Zugang zu Märkten in aller Welt.
Sonst wollen die Betriebsräte nicht mitmachen - und haben bereits Protest angekündigt. "Wir werden die Information nur zur Kenntnis nehmen, aber nicht akzeptieren", polterte der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. In Bochum sollen nach Angaben des Betriebsrats 1800 der 4800 Stellen wegfallen.
So oder so: Die Opelaner stecken weiter in einem Wechselbad der Gefühle. Was der Belegschaft vor allem in Rüsselsheim und Bochum die Zornesröte ins Gesicht treibt, ist die ungleiche Lastenverteilung unter den sonst so solidarischen europäischen Opel-Werken. Europaweit sollen 9000 Stellen wegfallen. Allein 60 Prozent davon soll Deutschland schultern.
Die Zukunft der deutschen Standorte scheint zwar zunächst gesichert, Freude kommt aber nicht auf. "Die wollen aus Deutschland Produktionsvolumina nach England abziehen, um dort Staatsgelder zu bekommen", kritisierte eine mit den Plänen vertraute Person. Damit solle Deutschland erpresst werden, Hilfsgelder zu geben.