Das Million-Kilometer-Auto
Er läuft und läuft und . . . Mehr als eine Million Kilometer ist Fritz Weber mit seinem Benz gefahren. Nun ist der Wagen abgemeldet.
Biberach. Fein säuberlich sind alle Wartungsintervalle eingetragen und mit Datum versehen. Fritz Weber kann mit seinen Scheckheften die Geschichte seines Autos rekonstruieren. „Da habe ich einen Ölwechsel gemacht, da wurde der Filter ausgetauscht, alles genau vermerkt“, sagt er. Der Banker in Altersteilzeit steuert seine eigene Geschichte zum „Autosommer“ bei, mit dem Baden-Württemberg dessen Erfindung vor 125 Jahren gedenkt.
Weber präsentiert weder einen seltenen Oldtimer noch einen rasanten Sportwagen. Sein Auto ist eine biedere Limousine. In einem Autohaus in Biberach, wo das Fahrzeug nun ausgestellt ist, fällt es zunächst kaum auf. Zwischen all den Neuwagen glänzt auch diese Mercedes-Benz-E-Klasse. Der Betrachter stutzt beim Blick auf den Tachometer: Erst 3524 Kilometer gelaufen? Falsch: die erste Ziffer fehlt, es sind 1 003 524 Kilometer.
Erstaunlich leise klackert der 3,0-Liter-Diesel im Innenraum, als Weber den Wagen anlässt, um ein paar Runden über das Gelände des Autohauses zu fahren. Der Wagen ist jetzt abgemeldet. Der 60-Jährige geht in die Bremsen, um zu beweisen: Sein Auto wäre auch auf der Straße keine Gefahr.
Die Baureihe W 124 gilt als sogenannter Youngtimer — noch nicht ganz Oldtimer, aber auch nicht mehr Durchschnittswagen. Webers Auto ist 22 Jahre alt.
„Ich bin jeden Tag so um die 100 Kilometer gefahren, und dann noch in den Sommerurlaub“, sagt Weber. Keine außergewöhnlich langen Strecken. Nach 200 000 Kilometern gönnte er dem Wagen ein „Facelifting“, glich Scheinwerfer und Motorhaube an die folgende Modellgeneration an. Doch der Motor und andere wesentliche Teile blieben.
Weber gab das Auto an einen Sohn weiter. „Ein bisschen drum gekümmert habe ich mich trotzdem“, gesteht er und geht mit seinem Finger am makellosen Lack entlang. „Den Ölwechsel habe ich selbst besorgt.“ Und die Autowäsche, einmal pro Woche — „mindestens“. Rost wurde sofort entfernt. Bei 400 000 Kilometern wollte Weber es dann wissen. Sein Sohn kaufte ein anderes Auto, der Vater übernahm das alte. Langsam tastete sich Weber an die Million heran. Am 9. März war es so weit: „Da hat’s Champagner gegeben.“
Joachim Dünkel, der Geschäftsführer des Biberacher Autohauses, muss schmunzeln: „Ein solches Auto in dem Alter habe ich noch nicht gesehen.“ Die meisten Kunden wechselten ihren Wagen nach 80 000 bis 120 000 Kilometern. „Und schauen Sie sich mal die Sitze an und wie Herr Weber einsteigt.“
Tatsächlich: Der 60-Jährige stützt sich an der Rückenlehne ab, um nicht zu stark über den Stoff zu scheuern. Weber ist sich dennoch sicher: „Es ist nicht so, dass ich ein Autofreak wäre.“