Auto Seit 01.01.2021: Deutlich härtere Strafen für Gaffer
Zu den wohl abscheulichsten Eigenschaften von Menschen gehört es, bei einem schweren Unfall die leidenden Opfer anzustarren und womöglich noch zu fotografieren. Diese Angewohnheit ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern in vielen Fällen auch lebensbedrohlich.
Denn oftmals werden dadurch freiwillige Ersthelfer und Einsatzkräfte von Rettung und Feuerwehr bei ihrer Arbeit behindert. Aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, in solchen Fällen künftig deutlich härter durchzugreifen als bisher.
Was sind Gaffer?
Als sogenannte Gaffer beziehungsweise Schaulustige werden jene Menschen bezeichnet, die bei einem Unfall nicht die Unfallstelle absichern oder den Verletzten helfen, sondern lediglich die Szenerie beobachten oder das Geschehen sogar mit Videos und Bildern festhalten.
Das Gaffen ist aus zwei Gründen problematisch:
- Den Einsatzkräften wird dadurch der Weg versperrt oder sie werden bei der Arbeit behindert. An Unfallstellen herrscht oftmals ein großer Tumult und Sekunden können dabei über Leben und Tod entscheiden. Genau diese wertvollen Sekunden gehen jedoch verloren, wenn sich Menschen an Ort und Stelle befinden, die dort nichts verloren haben, beziehungsweise keine Hilfe leisten.
- Bei der Anfertigung von Bildern und Videos mit dem Smartphone handelt es sich um eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Unfallopfer. Ob die Fotos in weiterer Folge veröffentlicht werden, ist dabei nicht von Bedeutung. Allein die Anfertigung der Aufnahmen ist laut Paragraph 201a des Strafgesetzbuches (StGB) eine Straftat und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden.
Das Problem dabei ist, dass uns Menschen das Gaffen angeboren ist. Die Neugierde unserer Vorfahren ist dafür verantwortlich, dass wir uns auf dem heutigen Entwicklungsstand befinden. Als hoch entwickelte Spezies sind wir jedoch auch dazu in der Lage, in Ausnahmesituationen diesen natürlichen Instinkt zu unterdrücken.
Wer einen Unfall sieht, sollte deshalb nicht überlegen, wo er sich am besten platzieren kann, um das Geschehen so genau wie möglich verfolgen zu können, sondern wie er den Unfallopfern helfen kann.
Weil die Unterdrückung des natürlichen Instinkts bei so vielen Menschen hierzulande in den letzten Jahren jedoch nicht funktioniert hat, sah sich der Gesetzgeber gezwungen, die Strafen in solchen Fällen deutlich zu verschärfen.
Welche Strafen gelten aktuell für Gaffer?
Die härteren Strafen sind mit Beginn des Jahres 2021 in Kraft getreten. Wer mehr über die genauen Passagen im Gesetzestext und detaillierte Hintergründe dazu erfahren möchte, kann entsprechende Informationen dazu auf www.bussgeldkatalog.org/gaffer nachlesen.
So sieht der aktuelle Bußgeld- und Strafenkatalog für Schaulustige im Detail aus:
- Vergehen: Gaffen als Ordnungswidrigkeit. Strafe: Bußgeld in der Höhe zwischen 20 und 1.000 Euro.
- Vergehen: Behinderung der Rettungskräfte durch Befahren des Seitenstreifens auf der Autobahn. Strafe: Bußgeld in Höhe von min. 75 Euro, 1 Punkt.
- Vergehen: Behinderung der Rettungskräfte durch Parken auf dem Seitenstreifen der Autobahn . Strafe: Bußgeld in Höhe von min. 70 Euro, 1 Punkt.
- Vergehen: Unterlassen Hilfeleistung. Strafe: Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
- Vergehen: Fotos oder Filme von einem Unfall machen. Strafe: Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
- Vergehen: Fotos oder Filme von Unfalltoten anfertigen. Strafe: Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe
Was ist die richtige Vorgehensweise bei einem Unfall?
Wer in Deutschland einen Unfall im Straßenverkehr beobachtet, ist gesetzlich dazu verpflichtet, Hilfe zu leisten. Wer sich in so einer Situation aus dem Staub macht oder lediglich zusieht, wie andere diese Hilfeleistungen übernehmen, macht sich der Straftat „Unterlassene Hilfeleistung“ schuldig.
Doch was genau bedeutet eigentlich „Hilfe leisten“ im Sinne des Gesetzes? Zunächst geht es darum, den Verunglückten die erforderliche Hilfe zukommen zu lassen und die Unfallstelle abzusichern. Für die Absicherung ist es wichtig, zunächst selbst eine Warnweste anzulegen und dann ein Warndreieck in der geforderten Entfernung aufzustellen.
In weiterer Folge geht es darum, die Polizei und den Notarzt zu verständigen und über die wesentlichen Fakten wie Unfallort, Anzahl der involvierten Personen und Grad der Verletzungen zu informieren. Nach Möglichkeit sollte den Verletzten Erste Hilfe geleistet werden.
Erste Hilfe kann Leben retten
Wer im Rahmen einer Ausbildung Kenntnis über lebensrettende Sofortmaßnahmen erlangt hat, kann diese nun an Ort und Stelle zur Anwendung bringen. Das ist die sinnvollste Tätigkeit, um die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu überbrücken und hat schon oftmals dabei geholfen, Menschenleben zu retten.
Verletzte Personen sollten nach Möglichkeit aus ihren Fahrzeugen gezogen werden. Atmende Unfallopfer werden in die stabile Seitenlage gebracht und der Mund leicht geöffnet. Bei Personen, die nicht mehr atmen, wird versucht, mit einer Herzmassage die Atmung wieder in Gang zu setzen. Blutungen sollten durch einen Druckverband gestillt werden.
Auch wer keine Ausbildung hat, kann an Ort und Stelle helfen. Etwa, indem versucht wird, erforderliches Material für die Ersthelfer zu beschaffen. Dazu gehören die Verbandskästen aus den Autos am Unfallort sowie Wärmedecken. Oft hilft es den Unfallopfern auch, einfach für sie da zu sein, bis der Rettungswagen eintrifft. In vielen Fällen stehen die betroffenen Personen unter Schock und können dadurch vor einer unüberlegten Handlung bewahrt werden.
Die Erkenntnisse bei der Ersten Hilfe ändern sich laufend. Ist der eigene Wissensstand zum Thema älter als zehn Jahre, empfiehlt es sich, noch einmal die Erste-Hilfe-Schulbank zu drücken, wie das jüngst auch 20 Biker beim Ortsverein Meerbusch des Deutschen Roten Kreuz getan haben.
Wie soll mit einem Gaffer umgegangen werden?
Am besten ist es, Schaulustige auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen und sie darüber zu informieren, dass es sich dabei um eine Straftat handelt, die schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen kann. Da die Gaffer oftmals selbst nur etwas paralysiert sind, hilft dieser kleine „Schubser“, um sie davon zu überzeugen, dass ihr Verhalten nicht angebracht ist.
Zeigen Gaffer daraufhin Einsicht, können sie in weiterer Folge aufgefordert werden, sich an den Erste-Hilfe-Maßnahmen zu beteiligen. Gelingt das, entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Unfallopfer können dadurch möglicherweise gerettet werden, die professionellen Einsatzkräfte haben freie Bahn und die Helfer haben ihren Freunden und Verwandten nun wirklich etwas Interessantes zu erzählen, bei dem sie geholfen und nicht bloß zugesehen haben.