Fahrbericht Ford Fiesta im Test: König der Kleinwagen
Berlin (dpa-infocom) - Er ist der ungekrönte König der Kleinwagen: Kein anderes Modell verkauft sich im größten Segment des europäischen Marktes besser als der Ford Fiesta. Damit Premieren wie der neue Seat Ibiza oder VW Polo nicht an seinem Thron sägen, bringen die Kölner eine Neuauflage ihres Bestsellers.
Auftritt und Ambiente etwas schmucker, die Technik schlauer und das Fahrverhalten gleichermaßen sportlicher und souveräner. So klopft der neue Ford Fiesta ab Juli an die Tür zur Kompaktklasse. Von diesem Aufstieg bleibt der Preis freilich nicht unbeeinflusst. Er erhöht sich mit Leistung und Ausstattung um knapp 2000 Euro und beginnt nun bei 12 950 Euro.
Klein im Format, groß bei der Ausstattung
Dafür gibt es einen Kleinwagen, der mit aller Macht die Grenzen seiner Klasse sprengen will. Weniger bei Form und Format, denn das Design orientiert sich stark am Vorgänger. Und mit 4,04 Metern zählt er trotz sieben zusätzlicher Zentimeter noch nicht zu den größten. Zumal von diesem Zuwachs gerade hinten wenig ankommt und auch der Kofferraum mit 303 bis 984 Litern nur gehobener Durchschnitt ist.
Grenzen sprengt der Fiesta umso mehr bei Ausstattung und Ambiente. Was Ford in den Wagen mittlerweile einbaut, das macht Focus-Fahrer neidisch und Kunden des Mondeo zumindest stutzig. Das gilt insbesondere für die Sicherheits- und Assistenzsysteme: Mehr als ein Dutzend elektronische Helfer sollen den Fiesta zum Smartie unter den Kleinwagen machen. Diese reichen von der automatischen Abstandsregelung über die Einparkautomatik bis hin zur Warnung vor Querverkehr beim Rangieren oder einem Notbremsassistenten, der Fußgänger nun sogar bei Nacht erkennt.
Touchscreen statt Taster
Ebenfalls kräftig nachgelegt hat Ford beim Infotainment. Wo der letzte Fiesta noch mit einem Mini-Bildschirm auskommen musste, wird die Mittelkonsole nun dominiert von einem frei stehenden Großbildschirm mit Touchfunktion. So sieht sie entsprechend aufgeräumt aus.
Weil der Fiesta nicht nur ein Augenschmaus sein will, gibts auf Wunsch auch was auf die Ohren: Als erster Pkw überhaupt kommt er mit einem Audio-System des Bang&Olufsen-Ablegers „B&O“-Play mit einem knappen Dutzend maßgeschneiderter Lautsprecher.
Evolution unter der Haube
Während Ford im Innenraum eine kleine Revolution anzettelt, gibt es unter der Haube nur Evolution. Denn in Ermangelung alternativer Antriebe oder grundlegend neuer Triebwerke setzt Ford auf bekannte und allenfalls verfeinerte oder variierte Motoren. Zum Start sind das zwei Dreizylinder-Benziner mit fünf Leistungsstufen von 51 kW/63 bis 103 kW/140 PS sowie zwei Diesel, die aus 1,5 Litern Hubraum 63 kW/85 PS oder 88 kW/120 PS leisten.
Gerade der stärkere Diesel macht eigentlich einen sehr ordentlichen Eindruck, wirkt kultiviert und kräftig und erlaubt ein ebenso sportliches wie sparsames Fahren. Aber er passt weder ins Segment, in dem der Benziner deutlich bevorzugt wird. Noch passt er zur aktuellen Stimmungslage, die einer erhöhten Selbstzünderquote kaum zuträglich ist.
Deshalb stünde dem Fiesta zum Beispiel eine Gas-Umrüstung ganz gut zu Gesicht. Immerhin gibt es zumindest im nächsten Jahr eine Zylinder-Abschaltung - allerdings nur für das Sportmodell ST, das aus einem 1,5 Liter großen Dreizylinder 147 kW/200 PS schöpft und im Frühjahr 2018 in den Handel kommen soll.
Maßstab für Fahrspaß und Entspannung
Frei von jeder Kritik bleibt das Fahrverhalten des Fiesta. War schon der Vorgänger ein Maßstab in seiner Klasse, hat Ford bei der achten Generation noch einmal nachgelegt und das Erlebnis dabei weiter gespreizt: Während der Fiesta auf der Autobahn deshalb solider und souveräner wirkt und Lust auf lange Strecken macht, fühlt er sich auf der Landstraße noch handlicher und agiler an und wird auch ohne ST-Triebwerk zur kleinen Spaßgranate.
Aber genau das ist offenbar die große Kunst bei kleinen Autos - möglichst viele Eigenschaften unter einen Hut zu bekommen. Das hat bei Ford jetzt auch Einfluss auf die Modellfamilie, die nun weiter gespreizt wird als je zuvor. Nicht umsonst gibt es den neuen Fiesta auch als noblen Vignale oder abenteuerlustigen Active mit etwas mehr Bodenfreiheit.
Fazit: Der Thron wackelt, aber die Krone sitzt
Es gibt Kleinwagen, die leidenschaftlicher gezeichnet sind und welche mit einem farbenfroheren Ambiente. Und manche haben innovativere Antriebe oder eine bessere Raumausnutzung. Aber mit der spürbaren Aufwertung bei Ambiente und Ausstattung und seinen fahrdynamischen Qualitäten ist die Summe aller Eigenschaften beim Fiesta größer als bei den meisten anderen. Der Thron mag deshalb vielleicht ein wenig stärker wackeln als bisher. Aber es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn dem Fiesta die Krone seiner Klasse abhanden käme.
Datenblatt: Ford Fiesta 1.5 TDCI
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke