Wie das Facebook-Prinzip ins Büro einzieht

Berlin (dpa) - Binnen weniger Jahre hat Facebook die Kommunikation im Netz verändert. Früher schrieb man sich Mails oder chattete, oft in trauter Zweisamkeit, manchmal mit Verteiler.

Heute lassen viele Nutzer oft gleich den ganzen Facebook-Freundeskreis wissen, was sie lesen oder essen, woran sie arbeiten oder mit wem sie feiern. Das Netzwerk - die eigene kleine Öffentlichkeit - kommentiert, lästert oder klickt den „Gefällt mir“-Button. So lernt jeder ein bisschen mehr über die anderen. Wenn er sich oft genug einloggt.

Wissen, was die Kollegen tun - das ist in der heutigen Bürowelt das A und O. Daher setzen immer mehr Unternehmen auf die Werkzeuge des Web 2.0, um verborgenes Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter zutage zu fördern oder Projekte mit Schwarmintelligenz zu koordinieren. Zumal immer mehr Nutzer im Netz aktiv sind. Die IT-Branche wittert ein lukratives Geschäft: Anbieter wie IBM, Salesforce und Xing übernehmen das Facebook-Prinzip in ihre Software. Das modische Schlagwort dafür lautet „Enterprise 2.0“.

Das Online-Netzwerk Xing gehört in Deutschland zu den Pionieren des Web 2.0 und war bereits populär, als hier noch niemand Facebook kannte. Dennoch begibt sich das Hamburger Unternehmen seit kurzem auf den Facebook-Weg: Wie beim Konkurrenten sehen Mitglieder nun eine Art Ticker mit Neuigkeiten aus ihrem Netzwerk. Ein Klick auf das Logo mit der Sprechblase, und sie hinterlassen einen Kommentar. Ein Klick auf den Stern, und alle wissen, dass sie etwas „interessant“ finden - ähnlich wie beim „Gefällt mir“-Button von Facebook.

„Wir erschließen bestimmte Social-Media-Tools, mit denen man effektiv kommunizieren kann, für die Geschäftswelt“, sagte Xing-Chef Stefan Groß-Selbeck bei der Einführung. Das Kalkül der Hamburger: Wenn die Nutzer sich intensiver austauschen, wird Xing für sie wertvoller - und sie sind auch mehr bereit, die monatliche Gebühr für die Premium-Mitgliedschaft zu zahlen. Nicht zuletzt steht das in Deutschland starke Netzwerk in Konkurrenz zu Facebook.

Anbieter wie IBM und Salesforce wollen die Prinzipien des Web 2.0 gar in der Unternehmenskultur verankern. Instrumente wie Soziale Netzwerke, Blogs und Wikis sollen zum Unternehmensalltag gehören, wie die E-Mail heute. Die Software wollen die IT-Größen liefern.

„Wenn viele Kollegen bloggen, an einem Wiki mitarbeiten oder ihre Lesezeichen öffentlich einsehbar speichern, bekommen ihre Profile wesentlich mehr Tiefe“, sagt IBM-Manager Stefan Pfeiffer. So finde man leichter Experten im eigenen Unternehmen - über die Grenzen von Abteilungen und Standorte hinweg. IBM bietet dafür das Softwarepaket Lotus Connections an. Und SAP hat auf den Wettbewerb reagiert und vermarktet eine Art „Facebook für Verkäufer“, in dem Geschäftsdaten mit Funktionen aus Online-Netzwerken verknüpft werden.

Während es in der Technikbranche viele „Enterprise 2.0“-Beispiele gibt, sind andere Branchen zurückhaltender. Am ehesten kommen Wikis zum Einsatz, in denen die Mitarbeiter kollaborativ Wissen sammeln und Texte schreiben, wie es in der Wikipedia üblich ist. Firmen-Facebooks sind noch selten - BASF hat beispielsweise so eine Lösung eingeführt. „Wir sind noch in einer Startphase und müssen Überzeugungsarbeit leisten“, sagt IBM-Manager Pfeiffer.

Das bestätigt eine Studie der Unternehmensberatung Capgemini. Die IT-Verantwortlichen in deutschen Großunternehmen halten demnach Web-2.0-Elemente durchaus für wichtig, wollen in den nächsten Monaten aber erst in andere Projekte investieren, Virtualisierung etwa. Befragt wurden 173 Manager.

Eine Hürde ist die Frage nach dem „Return on Investment“. „Die Ausgaben sind leicht zu messen, aber der Nutzen lässt sich schlecht erfassen“, sagt der Unternehmer Sören Stamer, der zu den Vorreitern in Sachen „Enterprise 2.0“ zählt. Dies sei jedoch gefährlich, weil man sich an triviale Dinge klammere. „Wie wollen Sie bewerten, dass die Mitarbeiter besser motiviert oder kreativer sind?“ Der Gründer der Softwareschmiede Coremedia, heute mit dem Startup Yokudo aktiv, ist überzeugt, dass die neuen Werkzeuge ein Wettbewerbsvorteil sind.

Mancher Manager scheut den Kontrollverlust, der damit einhergeht, dass sich jeder zu Wort melden kann, unabhängig von seiner Position im Unternehmen. Was passiert, wenn jemand den Firmenchef im Blog schmäht? Stamer sieht darin kein Problem. In seiner alten Firma durfte jeder bloggen - „die einzige Regel lautete: Schreib nichts Dummes.“ Das habe ausgereicht: „Jeder denkt genau darüber nach, was er schreibt. Die soziale Kontrolle ist stärker, als man denkt.“